Wer bist du? In einem rücksichtslosen Umgang mit Mythen, Moral und Musik stellt sich die Frage, ob überhaupt noch irgendwer zu retten ist. Während alle mit ihrem Schicksal hadern, verwandelt sich die göttliche Trash-Show in ein stürmisches, jenseitig musikalisches Spektakel zwischen zwei Welten. Na, lobet den Olymp!
In künstlerischer Zusammenarbeit mit dem Theaterkollektiv DAS SCHAUWERK und dem Komponisten und Autor Daniel Feik wird mit „Eurydike*Orpheus“ ein alter Mythos mit frischem Wind aufgearbeitet. Die rasante Uraufführung hinterfragt lustvoll strukturelle Vorgaben, Held*innengeschichten und die Geschlechterordnung.
Das Theater Phönix-Ensemble und DAS SCHAUWERK stehen zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne, und Eurydike hält ihnen den Rücken frei.
Theater Phönix Linz und „Das Schauwerk" überprüfen mit „Eurydike*Orpheus“ hinreißend alte Überlieferungen und gegenwärtige Geschlechterrollen
Es war ein Sturm der Energie, der bei der Uraufführung von „Eurydike*Orpheus“ am Donnerstag im Linzer Theater Phönix über die Rampe schwappte. Die erste Gemeinschaftsproduktion des Phönix-Ensembles mit dem quicklebendigen Theaterkollektiv „Das Schauwerk“ schaukelte sich zur beglückend spielerischen Versuchsanordnung auf und befragte am Beispiel des griechischen Mythos Beziehungshierarchien samt Geschlechterrollen. In keinem Moment ergoss sich dozierende Weltverbesserungssoße, sondern das im Stehen applaudierende Publikum feierte nach eineinhalb musikalischen Stunden einen Ideen-Springbrunnen, der auch eigene Beziehungsmuster aufs Neue ausleuchtete.
Christoph Willibald Gluck, Jacques Offenbach, Nick Cave bis Reinhard Mey - sie alle haben sich an den musikalischen Superhelden-Talenten von Orpheus abgearbeitet. Herausgekommen sind jeweils Verbeugungen vor einem Kerl, der mit Liedern wilde Tierherden zu Streichelzoos besänftigt. Die ihm angetraute Nymphe Eurydike genügt als ein schönes Vehikel seiner Strahlkraft - und weil sich Orpheus bei ihrer angepeilten Rettung aus der Unterwelt nach ihr umdreht, verschuldet er auch mangels Vertrauen ihren zweiten Tod. Was für ein Helden-Schlamassel.
Die fabelhaften Schlager-/Pop-/ Rap-Kompositionen von Daniel Feik, der zusammen mit Sarah Baum auch den Text geschrieben hat, sind die Grundmauern dieser euphorisierenden Impfung. Regisseurin Anja Baum hat den Wechsel der Figuren Eurydike und Orpheus auf alle acht schwarz-weiß gekleideten Spielerinnen und Spieler so stufenlos wie plausibel eingetaktet. Hier wird niemand in eine Rolle gesteckt, alle entwickeln eigenes Leuchten.
Auf der seitlich verspiegelten und dem Publikum zugeneigten Bühne von Ausstatterin A. Daphne Katzinger nimmt der Abend mit Amors Pfeilschüssen in Eurydikes und Orpheus’ Herz Fahrt auf.
Ist sie als Braut überhaupt hübsch genug, während Medien die Society-Hochzeit als Party des stimmschönen Adonis ausschlachtet? Eurydikes Hand rastet auf seinem Heldenoberschenkel, mehr braucht es nicht.
„Alles ist perfekt, auch der Schuh drückt nicht!“, besingt die Truppe selig das trügerische Aschenputtel-Glück. Orpheus hat viel zu tun, er muss Eulen nach Athen tragen, auch wenn die Achillesferse schmerzt. Derlei Kalauer fliegen durch die Luft, aber solange Eurydike ihn bewundert, bleibt auf dem Olymp alles paletti. In den Ebenen des Alltags ist sie ihm dann doch zu viel oder zu wenig. Wäre Eurydike doch nur ein bisserl wie alle anderen! So geht’s ab zur Höllenparty mit DJ Hades und dem dreiköpfigen Zerberus. Auch das kann ein Leben sein. Doch normal ist es nicht. Genauso wenig wie dieser hinreißende Abend.
Uraufführung: „Eurydike*Orpheus" von Baum/Feik im Theater Phönix
Kein Deal ohne Kleingedrucktes. Orpheus darf sich auf dem Weg aus der Unterwelt nicht nach Eurydike umdrehen. Was tut er? Loser! Die Götter triumphieren, auch der Held Orpheus ein fehlerhaftes Wesen.
Hat schon jemand gefragt wie es Eurydike bei der Chose erging? Sarah Baum (Text) und Daniel Feik (Musik) holen das nach. Das Autorenduo schreibt nicht bloß das (übrigens hochspannende) Finale des antiken Mythos neu, sondern entblättert fabelhaft seit Ewigkeiten tradierte Bilder von Held/Mann/Mensch (die Begriffe in der Antike synonym). Und das ohne jeden Krampf, hinterfotzig und unterhaltsam. Quirliges Musical, Bling-Bling mit reichlich Tiefgang und tolle Gesangseinlagen mit üppigen Arrangements. Uraufführung von „Eurydike*Orpheus“ war am Donnerstag im Linzer Theater Phönix, das Ensemble in beglückender Partnerschaft mit dem freien Kollektiv Das Schauwerk.
Der Auftakt eine mega Verkuppelungsshow, Entertainment stützt wie eh und je den Status Quo. Der Chor huldigt den Mächtigen, preiset den Olymp! Das TV-Publikum lechzt nach inszenierten privaten Seiten der Stars, zum Glücklichsein verdammt sind Eurydike und Orpheus. Sie die wunderschöne Nymphe, er betört mit seiner Stimme sogar Vögel. Aber jetzt ist der Held müde von dem ganzen Tamtam, kaum ein Busserl lässt er sich von Eurydike abringen.
Sie will mehr. Mehr als Orpheus' Projektionsfläche und Puppe sein. Intensität und wildes Leben. Eurydike verirrt sich in die Unterwelt. Die ist eine sexy Hölle mit knackigen Ledertypen. Eurydike schmust mit Persephone, der Toten- und eben auch Fruchtbarkeitsgöttin. Orpheus trudelt ein, der Held stört. Gute Haut, die Eurydike ist, folgt sie ihm zurück in die Welt des Lichts. Aber das Ende kommt anders.
„Schicksal" existiert nicht
Wer bist du? Der ultimative Song des Orpheus erschreckt sogar ihn selbst. Ein Spiegel in unzähligen Splittern, kein „Schicksal“, das einen Menschen in seiner Existenz festzurrt. Regisseurin Anja Baum setzt diese Idee konsequent um, acht Schauspieler switchen zwischen den Rollen. Orpheus ist Eurydike, ist auch ein Kopf des dreiköpfigen Untieres Cerberus, was zu putzigen Szenen führt.
Überlebt hat die Figur des Helden in sinistren Führern der Gegenwart. Inszenierte männliche Körper, in denen mörderisch infantile Charaktere schlummern. Subtexte dieser Art liefert „Eurydike*Orpheus“ reichlich. Man kann sich auch nur an der Finesse, Gesangs- und Spiel-freude des Ensembles erfreuen. Tosender, minutenlanger Beifall nach 90 Minuten.
Premiere von „Eurydike*Orpheus“ Kooperation von Phönix und Schauwerk
Sie krempeln Theater völlig um: Die Enfants Terribles von Das Schauwerk machen seit einiger Zeit mit ihren Stücken in Oberösterreich Furore - jetzt stellen sie mit dem Theater Phönix einen griechischen Sagenstoff auf den Kopf. Standing Ovations für „Eurydike*Orpheus“!
Die meisten kennen die Geschichte vom griechischen Gott Orpheus, der versuchte, mit seinem betörenden Gesang seine Ehefrau Eurydike aus der Unterwelt zu befreien. Ein toller Hecht - oder doch nicht? Mit viel Witz und überraschend guten Ohrwürmern dreht das Theaterkollektiv Das Schauwerk gemeinsam mit dem Theater Phönix den Mythos durch den Fleischwolf und fragt dabei nach Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Normen. Aber keine Angst - das Stück „Eurydike*Orpheus“, das am Donnerstag im Linzer Phönix seine Uraufführung feierte, kommt weder sperrig noch mit erhobenem Zeigefinger daher. Sarah Baum (Text) und Daniel Feik (Musik und Songtexte) kreierten einen flotten Theaterabend, den die Phönix- und Schauwerk- Darsteller gemeinsam mit Leben erfüllen. Ob eine Götterhochzeit als Reality-TV-Spektakel, Schlagerstimmung am Olymp oder die Hölle als Partyzone (grandios: Höllenhund Zerberus als streitsüchtiger Sidekick) - Stefanie Altenhofer, Nadine Breitfuß, Martin Brunnemann, Anna Maria Eder, Julia Frisch, Stefan Parzer, Felix Rank und die Autorin Sarah Baum selbst hauen sich in wechselnden Rollen und mit aller Energie in dieses funkelnde Stück. Dafür, dass man trotz vieler Charakterwechsel immer mitkommt, sorgt Regisseurin Anja Baum. Eineinhalb Stunden frischer Wind am Olymp!