Fast haben sie ihr Ziel erreicht: Am sechsten Hochzeitstag hat der Schmuggler bald so viel ergaunert, dass er seiner Frau im nahen Grenzstädtchen das lang ersehnte Haus am Markt kaufen kann, das ihnen Ansehen und Wohlstand bringen soll. Doch dann taucht unerwartet ein junger, ehrgeiziger Grenzjäger auf. Ihn hat der Grenzkommandant auf die Frau des Schmugglers „angesetzt“, damit ihm der Kriminelle endlich ins Netz geht. Als der Schmuggler davon erfährt, fordert er von seiner Frau, auf die Avancen des Grenzjägers zum Schein einzugehen, um seinen kriminellen Machenschaften weiterhin ungehindert nachgehen zu können. Der Plan scheint aufzugehen, bis aus der taktischen Annäherung der beiden tatsächliche sexuelle Anziehung wird und ein gefährliches Spiel beginnt. Doch im Kampf der konkurrierenden Männer erkennt die Frau, wie sehr man sie zur Ware degradiert und lernt, die Herren der Schöpfung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Karl Schönherrs 1915 uraufgeführtes Drama „Der Weibsteufel“ ist ein archaisches Stück Volkstheater, ein unmoralisches Spiel um Benutzen und Begehren, in dem die Rechnungen der Männer nicht aufgehen.
„Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr in respektabler Fassung im Theater Phönix
Wie Tarzan schwingt sich der Grenzjäger am Seil in die Stube des Schmugglers und seines Weibes. Fehlte nur noch, dass er „Ich Mann! Du Weib!“ brüllt. Was durchaus passend wäre, denn schlicht, reduziert und einfach gestrickt sind auch die Sätze von Karl Schönherr (1867-1943). Was er in prä-feministischer Zeit anno 1915 geschildert hat, ist heute phasenweise schwer erträglich, wäre da nicht diese Wandlung des Weibes vom manipulierten Spielzeug zur eigenständig und ökonomisch den denkenden Frau, die sich gegen männliche Macht aufbäumt und die Männer gegeneinander ausspielt.
Emanzipatorische Sichtweise
Regisseurin Esther Muschol setzt auf diese emanzipatorische Sichtweise und hat dafür eine ideale Besetzung: Lisa Fuchs ist einerseits das naive Mädel mit großen Augen und Zuckergoscherl, eine sich in ihr Schicksal fügende junge Frau, die ihren um vieles älteren Mann wie ein Kind, das ihnen allerdings verwehrt geblieben ist, bemuttert. Sie wird zur verführerischen Frau mit einem Blick, als ob sie sich selbst erstaunt dabei zuschaut, und schließlich zum raffinierten Luder, das die Männer gegeneinander ausspielt und den Jungen zum Mord am Alten aufstachelt - eine beeindruckende Leistung.
Esther Muschol inszeniert ruhig und besonnen, mit kurzen, effektvollen Pausen, aber doch kurzweilig, mit poetischen Bildern (Bravo der Kinderwunsch-Szene) und genauer Figurenzeichnung. Ferry Öllinger als der Schmuggler, der sein Weib dem Grenzjäger schöne Augen machen lässt, damit er in Ruhe Schmuggelware abtransportieren kann, ist weder der im Text beschriebene 80-Jährige noch das schwächliche „Saugflaschenmandl“, sondern ein Kraftlackl in den besten Jahren, was auch die Auseinandersetzung mit dem Jüngeren glaubwürdiger macht. Oliver Rosskopf weiß seine darstellerische Wandelfähigkeit einzusetzen als draufgängerischer Grenzjäger, der vom Strudel aus Lust und Geilheit, auch wenn er dagegen ankämpfen will, mitgerissen wird bis zum Untergang.
Das Bühnenbild von Magdalena Gut ist eine eigenwillige Holzkiste, ein von der Außenwelt abgeschotteter „Fuchsbau“ hoch oben auf der Alm, als symbolisches Requisit dient eine Matratze, auf der Leidenschaft und auch tote Hose stattfindet. Die Musik von Manuel Mitterhuber lässt Emotionen flirren, knistern oder auch zu Gewittern anschwellen. Die Kostüme von Elke Gattinger sind ländlich-sittlich bis adrett-sexy.
Eineinhalb Stunden dicht inszeniertes Theater, bei dem auch ob der heute lachhaften bis lächerlichen Sätze gelacht werden darf.
Karl Schönherrs „Der Weibsteufel“ feierte im Linzer Theater Phönix Premiere:
Drei Schauspieler, eine nur aus Pappkartons bestehende Bühne und Karl Schönherrs archaische Sprache – aus diesen Zutaten braute Regisseurin Esther Muschol im Linzer Theater Phönix am Donnerstag einen mit Spannung aufgeladenen Premierenabend. Ihr „Weibsteufel“ ist wahrlich ein Glücksgriff!
Inhalt und Charakter des Stückes merkt man nicht an, dass „Der Weibsteufel“ bereits 1915 uraufgeführt wurde. Klar sind Schmuggler in den Tiroler Bergen und Grenzgänger nicht unbedingt aktuelle Figuren, aber das perfide Spiel mit den Gefühlen anderer zum eigenen Nutzen ist ein allgegenwärtiges Thema.
Das Zeitlose setzte auch Magdalena Gut mir ihrer aus Pappschachteln gebauten Guckkastenbühne gekonnt in Szene (Kostüme: Elke Gattiner). Wie ein Kartenhaus stürzen diese Wände ebenso zusammen wie die Pläne des Schmugglers und Hehlers, der seine junge Frau anstiftet, dem Grenzjäger, der ihm auf der Spur ist, schöne Augen zu machen. Sie fängt dabei Feuer, verdrängte Wünsche werden wach – bis sie erkennen muss, dass sie doch nur der Spielball zwischen den Männern ist. Und das tödliche Spiel zu ihren Gunsten in die Hand nimmt.
Esther Muschol schuf eine schlichte Inszenierung im Sinne von auf das Wesentliche beschränkt, die das Publikum gerade deshalb in den Bann zieht. Lisa Fuchs ist ein Weib, dem die stürmisch Liebende besser steht als die braver Ehefrau. Sie kann Gefühle ohne übertrieben Dramatik spürbar vermitteln. Ferry Öllinger spielt unaufdringlich, aber präsent den bauernschlauen Schmuggler: kränklich, aber unbelehrbar, wenn es um männliche Besitzansprüche geht. Oliver Rosskopf als Grenzjäger opfert Gefühle der Karriere. Anschauen!
Premiere: „Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr am Linzer Theater Phönix
Das Finale ist ein heißer Tanz auf dem Vulkan der Gefühle, der Weg dahin aber teils zähflüssig wie Magma: Esther Muschols Inszenierung von Karl Schönherrs angejahrtem Alpen-Psychothriller (1915) konnte erst gegen Ende der 90 Minuten in Bann ziehen. Muschol vermeidet noch den Hauch von Lederhosentragödie, versucht vielmehr das Archaische herauszuarbeiten. Sie lässt die todbringende Tiroler Dreiecksgeschichte auf Hochdeutsch, mit wenigen Dialekt-Einsprengseln spielen, was in Linz nicht nötig gewesen wäre. Nicht nur, weil der „den Mann“ gebende Ferry Öllinger sonst ja in der TV-„SOKO Kitzbühel“ in Tirol ermittelt …
Öllinger muss als kränkelnder, ältlicher Hehler hoch droben in den Bergen nicht ganz passend im Anzug herumlaufen. Nur sein junges Weib darf kleidungstechnisch ansatzweise Folklore versprühen (Kostüme: Elke Gattinger). Das Paar lebt vom Schmuggel, den ein strammer Grenzjäger unterbinden soll. Zu diesem Zweck will er die Frau umgarnen. Doch das Paar riecht den Braten und dreht den Spieß um: Nun verführt die Gattin im ehelichen Auftrag den Jäger. Es kommt, wie’s kommen muss: Jäger und Weib verfallen einander. Der Drittplatzierte in diesem Schicksalsspiel wird eher zufällig erstochen. Der Traum der lustigen Witwe vom Haus am Marktplatz erfüllt sich:
Der Weibsteufel degradiert die Machos zu Hampelmännern und kehrt die gendergegebene Weltordnung ins Gegenteil.
Der beste Schauspieler ist hier der Schwächste: Theater-Phönix-Mitbegründer und TV-Star Ferry Öllinger spielt seine bullige Gestalt einfach weg und verleiht dem schwächelnden Gatten, dem „Saugflaschen-Manndl“ in Feinripp-Unterhosen, differenzierte Züge. Im Stolz gekränkt, verletzlich, dann wieder unverhofft schneidig. Lisa Fuchs versprüht als äußerlich sittsame, innerlich frustrierte Ehefrau, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünscht, die geforderte Portion Erotik, Liebreiz und Durchtriebenheit. Oliver Rosskopf kann sich als Jäger nicht zwischen Pflicht und Potenz entscheiden, bleibt ein Unentschlossener, dem man die ständigen Sinneswandel nicht ganz abnimmt.
Für eines sind vor allem Fuchs und Rosskopf zu bewundern: den Mut, in den Kulissen von Magdalena Gut herumzuturnen. Ihre Guckkastenbühne im Stil und mit dem Charme einer Lagerhalle mag wie das zitierte „Geiernest“ symbolkräftig von oben betreten werden und auch mächtig wie ein Fels aufragen. Sie zwingt die Protagonisten aber zu seltsamen Verrenkungen. So hängt der Jäger anfangs wie Spiderman mit dem Kopf nach unten von der Decke, ein andermal liegt er wie Batman am Plafond. Ein Geiernest als Federmaushöhle …