Das ehemalige Familienunternehmen HamTec steht mit dem Rücken zur Wand. Vor drei Jahren wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, nun steht sie kurz vor dem Verkauf an einen arabischen Investor mit Hauptsitz in London. Doch vorher muss weiteres Personal abgebaut werden, damit der Übernahmedeal auch tatsächlich stattfinden kann. Dr. Kurban, Geschäftsführer des Unternehmens, verfolgt dabei noch ganz andere Interessen, denn ihm geht es in erster Linie darum, die eigene Haut zu retten.
Aber die Mitarbeiter sind nicht bereit, das Feld kampflos zu räumen und greifen zu drastischen Mitteln: sie nehmen Dr. Kurban in Geiselhaft, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Doch die Situation eskaliert, und die Dinge verlaufen anders als erwartet …
Wie weit dürfen Arbeitnehmer im Kampf um ihren Arbeitsplatz gehen? Diese Frage stellt der oberösterreichische Autor Andreas Jungwirth in seinem aktuellen Stück und greift damit ein brisantes Thema unserer Arbeitswelt auf.
Viel Applaus bei der Uraufführung des Stückes „Bossnapping" im Linzer Theater Phönix
Die Bewegungen werden wie am Fließband stakkatoartig im Rhythmus der elektronischen Beats ausgeführt: exakt choreographiert wie eine Synchronschwimmer-Sequenz. Die Bühne ist von Stefan Brandtmayr aus grobem Holz in zwei Ebenen gebaut: obere und untere Ebene. Unten die arbeitenden Weißmäntel, oben die Chefs im schicken Business-Look (Cornelia Krakse). Das ist eines von mehreren symbolischen Bildern, die Regisseur Alexander Kratzer in dieser flotten Inszenierung zeigt, in der er mit Musiker Markus Tavakoli einander kongenial ergänzende Sache macht. Obwohl die Thematik ernst ist, wird stellenweise weder von Autor noch Regisseur mit Humor gespart.
Oben fragt die toughe Frau Dr. Hahn (Melanie Herbe) den erfahrenen, aber immerhin schon 54 Jahre alten Manager Dr. Kurban (Walter Ludwig), ob er nicht neue Erfahrungen machen wolle, „in Ihrem Alter" und nach 22 Jahren in derselben Firma, die vor einem Eigentümerwechsel noch schnell etwas Humankapital abbauen müsse. Im Publikum ist das große Nicken zu sehen: Ja, diese Situation können sich die meisten leider wohl ganz gut vorstellen. Der Linzer Autor Andreas Jungwirth hat „Bossnapping" als Auftragswerk des Theater Phönix geschrieben. Inspiriert von den tatsächlichen Bossnapping-Fällen vor rund zwei Jahren in Frankreich hat er es in klarer, schnöreklloser Sprache verfasst. Mit knappen Dialogen und kurzen Monologen zeigt er Alltags-Zynismus und Brutalität in Zeiten von Globalisierung und Sparmaßnahmen. Der Dr. Hahn ist ihre fesche Seidenbluse natürlich näher als die Arbeitskittel der anderen. Und so macht sie, was ihr aufgetragen wird, nämlich Leute kündigen.
Das bringt Unruhe in die Arbeitnehmerschaft: Die ehemalige Betriebsrätin Helen (Ingrid Höller), die das Wort Solidarität noch kennt, der aber die kämpferische Kraft abhandengekommen ist, übernimmt die Anführerschaft. Und so nehmen die Erbosten (Nicola Trub, Ferdinand Kopeinig und David Fuchs als entmachtete, hilflose Truppe) die Bosse in Geiselhaft, was patschert bis chaotisch abläuft. Jeder von ihnen bleibt Einzelkämpfer, die eigenen Interessen stehen dem Gemeinsamen im Weg. Ein brisantes Thema, prägnant abgehandelt.
Uraufführung: Andreas Jungwirths Kammerspiel „Bossnapping" am Linzer Phönix
„Emotionen bringen uns nicht weiter, weder Sie, noch uns", lautet der Standardsatz des skrupellosen Dr. Kurban und der jungen, ehrgeizigen Dr. Hahn, wenn wieder einmal ein von ihnen Gekündigter in Tränen, Trauer oder Wut auszubrechen droht. Das einstige Familienunternehmen HamTec steht vor dem Verkauf an einen arabischen Investor in London. Doch davor sollen es die beiden Manager (von Walter Ludwig und Melanie Herbe als Inkarnation des Neoliberalismus gespielt) noch „fit für den Börsegang machen" - in Form von 30 Entlassungen. Doch die gehen nicht ganz so glatt über die Bühne wie erwartet. „Wenn die mich entlassen, geb ich mir die Kugel", sagt etwa die zweifache Mutter und Alleinverdienerin Veronika Jakoby (berührend und bei aller Verletzlichkeit cool: Nicola Trub). Gemeinsam mit ihren Kollegen Hellen Maier (gelungenes „Comeback" von Ingrid Höller als besonnene „Elder Stateswoman" der Gewerkschaft) und Richi Koller (im Trend liegender Computerfreak: David Fuchs) sowie dem von der Firmenleitung gekauften Betriebsrat Konrad Wagner (sehr schleimig, sehr gut: Ferdinand Kopeinig) nimmt sie das Management im obersten Stockwerk als Geiseln, um die Kündigungen rückgängig zu machen. Die Nerven liegen blank. Zu allem Überfluss hat Veronika eine Pistole einstecken - das Unternehmen droht aus den Fugen zu geraten.
Die Manager als Geiseln der Belegschaft
Was hier betrieben wird, ist kein Kid-, sondern „Bossnapping", wie es vor drei Jahren in Frankreich tatsächlich vorgekommen ist, wenn auch ohne nachhaltigen Erfolg. Der in Wien lebende Linzer Autor Andreas Jungwirth (*1967) hat mit dem am Donnerstagabend zur Uraufführung gelangten Phönix-Auftragswerk die Hand am Puls der Zeit unserer modernen Arbeitswelt. Dabei schafft er das Kunststück, noch mit dem Entsetzen unterhaltsamen Scherz zu treiben. Denn die Ausgangsbasis erinnert an ein typisches Firmenschicksal unserer globalisierten Welt. Wurde nicht erst die Firma Carrera in Traun, wiewohl profitabel, geschlossen und die Produktion nach Italien verlagert? Auch das Phönix selbst beweist damit (wie schon bei „Top Dogs"), dass es ein Händchen für derlei Themen hat. Das Händchen gehört in diesem Fall dem Tiroler Alexander Kratzer, unter dessen Regie die Aufführung zum durchschlagenden Erfolg geriet. Er zwingt sein ausgezeichnetes sechsköpfiges Ensemble bisweilen in eine stakkatoartige, auf die pulsierenden elektronischen Beats (Markus Tavakoli) abgestimmte Choreografie. Die Hierarchien sind dabei klar verteilt: Unter der steril mit Plastik verkleideten Bühne (Stefan Brandtmayr) kriechen die vier Angestellten wie Labormäuse in den Gängen ... Globalisierungskritik nicht auf dogmatische, sondern pfiffig-unterhaltsame Art!
Premiere von Andreas Jungwirths Stück „Bossnapping“ im Linzer Theater Phönix
Das Theater Phönix greift ein brisantes Thema an: „Unternehmensbereinigung“, sprich Kündigungen und Aktienspekulation. Der oberösterreichische Autor Andreas Jungwirth macht daraus das Stück „Bossnapping“. Ein spannender Abend!
Seit das Unternehmen HamTec einem arabischen Investor gehört und an der Börse notiert, soll es rentabler gemacht werden. Dieser Weg führt an Kündigungen nicht vorbei. Was beinahe schon klischeehaft wirkt, entwickelt sich zum Thriller, in dem mehr oder weniger dramatische Momente aufeinander prallen.
Andreas Jungwirth lässt einiges an psychologischen Motiven, die Spannung auf der Bühne erzeugen könnten, außer Acht. Dieses Manko macht dafür Alexander Kratzers dynamische Regie wieder wett. Walter Ludwig fügt sich wunderbar in die Rolle des Chefs ein. Dieser „übt“ mit seiner rechten Hand Frau Hahn (Melanie Herbe) das Kündigen. Bald wird es ernst. Aber alles geht nicht so aalglatt vor sich, wie er sich das wünscht.
Frau Jakoby, der Nicola Trub eine sensible und widerständige Kontur verpasst, will sich nicht abschieben lassen. Ingrid Höller verleiht der Betriebsrätin hartgesottene Tiefe, während David Fuchs als junger Kollege Richi sich zu einer der spannendsten Figuren wandelt. Der Betriebsrat in spe wird von Ferdinand Kopeinig gespielt, und dieser wendet durch seine erotischen Verstrickungen die Handlung noch einmal.
Das gelungene Bühnenbild von Stefan Brandtmayr ist einfach und „clean“, es macht deutlich, wer oben und wer unten in der Hierarchie zu tun hat.
Arbeiter kidnappen im Angesicht ihrer Kündigung ihre Chefs - sterben muss allerdings die Sekretärin: In Andreas Jungwirths soeben am Phönix-Theater uraufgeführtem Stück Bossnapping geht es ungerecht zu. Die Bühne (Stefan Brandtmayr) ist zweigeteilt: Unten robben die Arbeiter in weißen Arbeitsmänteln, führen Fließbandbewegungen aus. Darüber haben die Chefs ihre Bühne, rollen auf Bürostühlen hin und her und üben es, jemandem eine Kündigung als „Angebot" zu unterbreitet.
Veronika Jacoby (Nicola Trub) unterschreibt das Angebot nicht, stattdessen besorgt sie sich eine Waffe. Gemeinsam mit zwei Kollegen beschließt sie, die beiden Chefs, Dr. Kurban (Walter Ludwig) und Dr. Hahn (Melanie Herbe) in ihrem Büro festzuhalten, bis die Kündigungen zurückgenommen werden. Existenzangst sollen sie fühlen. Aber irgendwie läuft alles schief - Jacoby erschießt die Sekretärin und flieht. Der Rest der Belegschaft bleibt zurück, jeder auf seine Weise ein Verlierer.
Autor Andreas Jungwirth, 1967 in Linz geboren, zeigt, dass der Neo- und Turbokapitalismus wenig Platz für Solidarität lässt. Es ist auch ein Stück, das danach fragt, wie weit Macht und Gewalt sich bedingen, auflösen und umkehren können. Jungwirth schafft in Bossnapping kei-ne Helden, auch macht er keine Schuldzuweisungen, vielmehr zeigt er das zwischenmenschliche und psychologische Dilemma aus Empathie-Unfähigkeit, Abhängigkeit und Egoismus auf, in dem sich alle - Arbeiter, Angestellte und Manager - zerreiben, ein Gefühl, das von allen Schauspielern gut übertragen und umgesetzt wird. Alexander Kratzer inszeniert zügig, Markus Tavakoli schafft dazu Musikstücke im Takt eines Hamsterrades.