Ein später Abend. Judith, erfolgreich und ledig, und ihre Schwägerin Lisa, früh verwitwet, sitzen zusammen und reden über die im Nebenzimmer schlafende (Schwieger-) Mutter, die Lisa zu sich geholt hat. Denn Judith hat schon vor langem den Kontakt zu ihr abgebrochen. Während Judith sich betrinkt, konfrontiert Lisa sie mit der Geschichte ihrer Geburt: eine alte Frau und ein alter Mantel sind ihr dabei Erinnerungsstützen. Der späte Abend wird langsam zur Nacht, in der sich Judith immer weniger der Frage nach ihrer Existenz entziehen kann. Realitäten verschieben sich. Und auch der Morgen davor wirft jede Menge Rätsel auf.
March Hölds „Das Ende einer Geschichte“ ist ein surreales Spiel, in dem Wirklichkeit und Sein in Frage gestellt werden.
Die junge burgenländische Autorin ist die Gewinnerin des in der letzen Spielzeit ausgeschriebenen Autorenwettbewerbs von Theater Phönix und Kulturverein Musentempel und schreibt dieses Stück für die Ensemblemitglieder Judith Richter und Lisa Fuchs.
Zwei Frauen stehen sich gegenüber, jeweils an die Wand gelehnt. Judith (Judith Richter), eine erfolgreiche Ärztin, und ihre Schwägerin Lisa (Lisa Fuchs). Dazwischen tut sich der schwarze Raum des Phönix-Studios auf, von der Decke hängen weiße Requisiten: March Hölds Stück Das Ende einer Geschichte feiert in einer beengten Blackbox seine Uraufführung. In der Regieanweisung ist von einem weiten, hellen Loft als Schauplatz die Rede. Doch Regisseurin Anna Katharina Winkler wird in der Folge nicht nur den Raum verdichten, sondern auch den surrealen Ebenen des Stückes mit viel Halbdunkel Vorschub leisten. Zunächst aber nimmt sich alles recht harmlos aus. Lisa kommt mit Judiths Mutter, um die sie sich kümmert, auf Besuch. Zwischen den Schwägerinnen werden Höflichkeiten und Sticheleien ausgetauscht, bis der Grund des Besuchs aufs Tapet kommt. Die Geburt Judiths sei eine seltsame Geschichte gewesen. Der alte Mantel der Mutter wird zum geheimnisvollen Indiz dafür, und vor der Wohnungstür taucht immer wieder eine fremde alte Frau auf (komisch bis süffisant: Peter Woy), die erstaunlich gut über Judith Bescheid weiß. Die surrealen Qualitäten von Hölds Stück beginnen sich hier zu entfalten. Zeitebenen verschieben sich, die erlebte Realität kippt allmählich ins (Alb-)Traumhafte. Ist Judith eine Frühgeburt gewesen oder abgetrieben worden? Des Rätsels Lösung wird nicht verraten, und mit dem Zurückspulen der Handlung hängt am Ende alles endgültig in der Zeitschleife fest. Viel Applaus für eine gelungene Theaterminiatur im Geiste David Lynchs.
Geburt eines Albtraums, Albtraum einer Geburt
Theater: „Das Ende einer Geschichte“ von March Höld, Regie: Anna Katharina Winkler, Studio des Theater Phönix Linz, Uraufführung 14. Oktober
Die Ärztin Judith hat sich ihr Leben so eingerichtet, dass ihr weder Trübsal noch schmerzhafte Selbstreflexionen etwas anhaben können. Sie ist Ärztin, wohnt in einem Loft, das sie von der Welt abschottet. Sie verlacht, was ihr zu nahe kommt - oder ertränkt es in sündteurem Rotwein. Eines Abends muss sie sich stellen, ihre verwitwete Schwägerin Lisa offenbart ihr die Geschichte ihrer eigenen Geburt. Die im Nebenzimmer schlafende (Schwieger-)Mutter hat sie nicht Judith, sie hat sie Lisa erzählt.
Diese verstörende Fantasie stammt von der Autorin March Höld. Mit ihrem Werk „Das Ende einer Geschichte“ gewann die Burgenländerin 2009 den Autorenwettbewerb von Kulturverein Musentempel/Theater Phönix. Die Uraufführung ist der erste Preis.
Gerald Koppensteiner (Bühne) lässt Türklinken, Weinflaschen oder Zahnbürsten in einem Wald von Eisenketten von der Decke baumeln und vertieft eine düstere Traumsituation. Regisseurin Anna Katharina Winkler versucht erst gar nicht, die Ebenen von Traum und Wirklichkeit abzugrenzen. Auch in Hölds Text wabern sie konturlos. Judith Richter packt als zynisch-verzweifelte Judith mit kalter Hand den Zuschauer, bis die Albträume der eigenen Entstehungsgeschichte ins Bewusstsein sickern. Lisa Fuchs gelingt die Grätsche von Unbeholfenheit zur Kenntnis der vermeintlichen Wahrheit blendend. Die Besetzung des tadellosen Peter Woy als alte Frau verkleinert leider die Figur, es entreißt ihr den Dämon.
Der Abend gerinnt im Fantastischen. Könnte Judiths Geburt nicht eher ihre Abtreibung gewesen sein? Suchen Sie keinen roten Faden. Höld hat ihn in Fransen gerissen, um surreale, mitunter befremdliche Gedankenspiele daraus zu weben.
Gelungenes Dramenexperiment im Linzer Theater Phönix:
Das Linzer Theater Phönix führte heuer erstmals einen Dramen Wettbewerb für junge Autorinnen durch. Aus rund 100 Einsendungen und mehreren Qualifikationsrunden kristallisierte sich March Hölds „Das Ende einer Geschichte“ als Siegerdrama heraus. Die Premiere am Donnerstag bestätigte: Es war eine gute Wahl!
March Höld (34) stellt erstmals in Linz ein Stück vor. „Das Ende einer Geschichte\',\' erzählt von Judith, einer Ärztin, und ihrer Schwägerin Lisa. Beide reden über die im Nebenzimmer schlafende Schwiegermutter... Das alles läuft nicht ganz so linear ab, wie es sein könnte. Und das ist auch gut so, denn Höld spinnt ein dichtes Netz aus Realität und Traum, in dem sich die Zeiten und Ereignisse verschieben. Mit Reizwörtern setzt sie dann doch immer wieder handlungsfeste Punkte, sodass sich schlussendlich alle subtilen Ahnungen über eine totgeschwiegene und tabuisierte Herkunft manifestieren.
Höld konnte den „Musentempel-Damen“ Judith Richter und Lisa Fuchs die Rollen auf den Leib schreiben. Regisseurin Anna Katharina Winkler hebt mit Straffheit und Dynamik noch einmal die Dichte an. Die beiden Schauspielerinnen geizen nicht mit starken Emotionen. Peter Woy gesellt sich als „sehr alte Frau“ dazu, die schlussendlich das Geheimnis lüftet. Wunderbar einfach und doch poetisch genial ist übrigens die Bühnenausstattung von Gerald Koppensteiner. Was als Dramenexperiment startete, kann als Bühnenerfolg gefeiert werden!
Uraufführung: Drama „Das Ende einer Geschichte" der jungen burgenländischen Autorin March Höld im Linzer Theater Phönix
Ein alter schwarzer Wintermantel und ein Mantel des Schweigens spielen zentrale Rollen für „Das Ende einer Geschichte". Letzterer wurde jahrzehntelang über die Umstände von Judiths Geburt gebreitet. Nun, da es ihrer alten Mutter schlecht geht, soll Judiths verwitwete Schwägerin Lisa diesen Mantel der Schweigens lüften und der jungen Ärztin verraten, wie sie einst zur Welt kam. Dass beide sie zu diesem Behuf in ihrer schicken Loftwohnung besuchen, ist Judith gar nicht recht. Ebenso wenig, dass eine zweite „sehr alte Frau" ihr schon Tags zuvor buchstäblich mit der Tür ins Haus fiel, nur um ihr unter dem Mantel der Verschwiegenheit vom alten schwarzen Wintermantel der Mutter zu berichten ...
Was es damit wirklich auf sich hat, wird erst am Ende dieses Siegerstücks eines von Theater Phönix und Linzer Kulturverein Musentempel ausgelobten Autorenwettbewerbs verraten. Es geht um Familiengeheimnisse und eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung, um Geburt und Abtreibung, Traum und Wirklichkeit. Bisweilen geht es in den 50 Minuten auch ganz schön zur Sache, wenn Judith und Lisa einander bekriegen und das Ganze in Psychoterror auszuarten droht. Bühnenbildner Gerald Koppensteiner hat dafür im Phönix-Studio eine fast leere Arena zwischen zwei Publikumsbereichen geschaffen. Kein „großes, helles Loft", wie es sich die burgenländische Autorin March Höld (34) vorgestellt hat, sondern eine nicht unoriginelle Lösung mit an Ketten von der Decke baumelnden Türklinken, Flaschen und Radios, die die Wohnung nur andeuten. Der besonders sprachlich gelungenen Form, in die Höld den Stoff verpackt hat, ist indes nicht ganz leicht zu folgen und bereitete auch Regisseurin Anna Katharina Winkler Probleme: Nur aufmerksamen Besuchern wird klar, dass mittendrin Teile des Stücks plötzlich am Vortag der eigentlichen Handlung spielen. Ebenso verwirrend: Die „sehr alte Frau" wird von einem Herrn (Peter Woy) gegeben, der zeitweise dann aber doch als Mann (Judiths nicht in der Besetzungsliste aufscheinender Bruder) auftritt. Die große Intensität des Familiendramas vermitteln aber eindringlich Judith Richter als expressiver, auch zynischer lasziver Wildfang, und Lisa Fuchs als scheinbar einfühlsam-brave, die Contenace wahrende Schwägerin Lisa.