Werfen Sie einen Blick in eine fremdartige, groteske und bizarre Welt: ein normaler Tag, Arbeitermilieu, „Familienidylle“. Michio liegt angekettet in seiner Hütte. Er verbringt seine Zeit damit, Cornflakes in sich hineinzuschaufeln, Cola zu trinken und kaputte Elektrogeräte zu reparieren. Sein Bruder Akitoshi ist mit Sachiko verheiratet. Er hat sie aus Schuldgefühlen zur Frau genommen, nachdem sein Bruder ihr Gewalt angetan hat. Inzwischen überlegt Sachiko allerdings, ob sie mit ihrem Vergewaltiger Michio nicht viel glücklicher wäre. Akitoshi ist Chef einer dubiosen Fabrik, von der niemand genau weiß, was sie eigentlich herstellt. Da taucht eine neue Arbeiterin, Keiko, auf und sorgt für Chaos im „Familienidyll“. Keiko bringt es als Kampf- und Sexmaschine zu überraschenden Leistungen und beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit Michio. Es wird nicht gerade zimperlich miteinander umgegangen. Auch nicht, als es zum Brudermord kommt und der Tote letztendlich wieder zum Leben erwacht.
Eine pervertierte, groteske Weltdarstellung, ein Stück wie ein Comic-Strip, ganz in japanischer Manga-Tradition, ein irritierendes Beziehungsdrama, das sich wie ein skurriler Albtraum liest. Komponiert wie ein Kammerspiel zeigt es auf tragikomische Weise die Abgründe in menschlichen Beziehungen und hat damit auch über Japan hinaus Bedeutung und Schlagkraft.
Dank an Hermes Schleifmittel und Haberkorn Ulmer GmbH
THEATER : Deutschsprachige Erstaufführung im Theater Phönix
“Das Maschinentagebuch“, ein Stück des Japaners Matsuo Suzuki (geboren 1962), hatte am Dienstag im Theater Phönix Premiere. Japanische, noch dazu zeitgenössische Theaterstücke sind auf deutschsprachigen Bühnen kaum bis gar nicht zu sehen.
Das Stück ist nicht leicht zu lesen, weil in einer Art Comic-Sprache mit vielen, beim Lesen verwirrenden Regie-Anweisungen geschrieben. Ein wildes Phantasiekonstrukt, das sich erst auf den zweiten, dritten Blick - oder auch gar nicht - offenbart.
Denn hinter diesem vordergründig trashigen Text rund um eine eigenartige “Arbeiterfamilie“ steckt viel Gesellschafts- und Systemkritik. Der Mensch als Arbeitsmaschine, Leistungsdruck, Hierarchiegläubigkeit, Obrigkeitshörigkeit, treten nach unten und buckeln nach oben - und eine Persiflage auf die Brutalität in japanischen Filmen. Regisseur Steffen Höld hat aus dieser Vorlage das Optimum herausgeholt. Er setzt es in genau der richtigen Gratwanderung zwischen dem nötigen Tempo und der auch notwendigen Ernsthaftigkeit um, mit Slapstick und Comic-Annäherung, jedoch ohne in nur bildhaft groteskes Stationentheater abzudriften. Grundsätzlich aber sollte man schon eine Portion geduldiger Bereitschaft mitbringen, sich auf dieses Stück einzulassen. Dann kann es für diejenigen, die Trash und absurden (Sicker)Witz mögen, großteils tatsächlich recht witzig sein.
Mit brutaler Lust
Das Schauspielteam ist mit Lust bei der Sache, schlägt sich im wahrsten Sinne des Wortes recht wacker. Lisa Fuchs lächelt und plaudert sich in japanischer Höflichkeit durch das Geschehen. Matthais Hack erweist sich wieder einmal als Schauspieler mit hohem Komikpotenzial. Auf Sadomaso Theo Helm trifft die schlagkräftige Maxi Blaha.
Das Bühnenbild von Reinhard Taurer beeindruckt mit “falscher“ Drehbühne, Erlebnisbad und Fabrik-Feeling. Die Musik von Fadi Dorninger ergibt dazu den perfekten Maschinensound.
„Das Maschinentagebuch“ im Phönix: Deutschsprachige Erstaufführung des japanischen Kultautors Matsuo Suzuki
„Für all jene, die Albträume lieben“ schreibt Matsuo Suzuki seine Stücke, in die auch seine Erfahrungen als Comiczeichner einfließen. Als konsequent inszenierter Albtraum zwischen Komik und Verzweiflung erweist sich auch Suzukis „Maschinentagebuch“, das am Dienstag im Theater Phönix zur deutschsprachigen Erstaufführung kam. Sein ins Absurde überhöhter Zerrspiegel einer zutiefst neurotisierten Gesellschaft ist gewiss nicht jedermanns oder jederfraus Kragenweite. Zugleich lässt sich „Das Maschinentagebuch“ auch als böse Satire auf die Technikeuphorie und auf den strengen japanischen Ehrenkodex lesen, der den Fabriksbesitzer Akitoshi dazu brachte, die Untat seines Bruders Michio - der die junge Sachiko vor Jahren vergewaltigt hat - dadurch zu „büßen“, Sachiko zur Frau zu nehmen. Michio aber muss - in einem schäbigen Container angekettet - für seinen Bruder arbeiten. Als die neue Aushilfe Keiko in Akitoshis Fabrik kommt, gerät das kaputte Familiengeflecht endgültig ins Kippen. Denn keine/r ist frei von Brutalität in diesem seltsamen Beziehungsdesaster, das von Regisseur Steffen Höld in adäquater Balance zwischen Comic und Horror umgesetzt wird. Die Bizarrerie des Geschehens wird getoppt von der bezwingenden Bühnenlösung, die Richard Taurer um den Container als eine Art „Riesenmaschine“ konstruiert hat. Auch der raffinierte Soundtrack „Fadi“ Dorningers trägt subtil zur Atmosphäre der Ausweglosigkeit bei, in der die Protagonisten bis zum bitteren Ende gefangen sind. Am berührendsten ist Lisa Fuchs\' Sachiko, das prädestinierte Opfer in der Ambivalenz zwischen den Brüdern. Matthias Hack bringt die Gestörtheit Akitoshis glaubhaft über die Rampe, Theo Helm den entrechteten Michio. Als Keiko hat Maxi Blaha eine Karikatur einer weiblichen Sexkampfmaschine zu liefern, Martin Schwab als „Guru“ den ersehnten esotherischen Kontrapunkt zur Brutalität dieser „familiären“ Arbeitswelt.
ist wesentlich hermetischer und schwerer verständlich für unseren Kulturkreis als Film, Literatur oder Kunst aus dem Fernen Osten. Wenigstens sind die japanischen Comics, die so genannten Mangas, auch in unseren Breiten als Medium der Populärkultur präsent, so dass die deutschsprachige Erstaufführung des "Maschinentagebuchs" von dem 44-jährigen Kultautor Matsuo Suzuki auf einer annähernd mitteilsamen Assoziationsebene spielen kann.
Das Theater Phönix in Linz hat diese Erstaufführung am Dienstag auf die Bühne gebracht. Im Austausch mit dem Pasolini-Projekt des Schauspielhauses Salzburg wird "Das Maschinentagebuch" ab 11. April in Salzburg gezeigt.
Matsuo Suzuki erzählt in einem knallig-schrillen Trashtheater eine verzweifelt hochkomische und für japanische Verhältnisse wohl auch sarkastisch-bitterböse Familienstory. Akitoshi, Chef einer nicht näher definierten Fabrik, hält seinen Bruder Michio in einer Wellblechbaracke angekettet. Michio hat Sachiko Gewalt angetan, worauf Akitoshi sie geheiratet hat. Rosig geht es ihr nicht dabei, Akitoshi prügelt und erniedrigt sie permanent. Eine neue "Arbeiterin" taucht auf, die Professorin Keiko, die sich alsbald als seelenlose, gefühlskalte Kampf- und Sexmaschine im "Familienleben" etabliert.
Jetzt kann dem Comicstrip freier Lauf gelassen werden. Regisseur Steffen Höld, den man am Schauspielhaus Salzburg mit "Helges Leben" und "Clockwork Orange" als Spezialist für überdrehte Stoffe kennt, findet dafür eine Art greller Schnitttechnik: Kurze Explosionen fallen in Erschöpfung, Ausbrüche und Aufschreie ebben ab in lethargische Zustände, die makabre Groteske kippt in "tragische" Momente, die im Umkehrschluss wieder in fröhliches Aus-der-Rolle-Schlüpfen mündet. In Slapstickmanier werden die Personen reihum kampftechnisch außer Gefecht gesetzt, erschlagen, erwürgt und stehen umgehend wieder auf: ein Totentanz fröhlicher Zombies.
Auf der Bühne (Reinhard Taurer) dreht sich zum Soundtrack von Wolfgang Fadi Dorninger die Wellblechhütte, unter dem Gummiboden schwappt das Wasser, und umlaufend bewegen sich die Wände auf Rollen, um immer andere Perspektiven freizugeben: ein raffinierter Effekt.
Die Schauspieler stellen die Künstlichkeit ihrer (Manga-)Figuren brachial genug aus und geben sie schräg und nicht zimperlich dem Lachen preis: Maxi Blaha hat die Sex-Kampf-Maschine auch sprachlich am besten im Griff, Theo Helm bleibt als Michio deutlich zurück, Matthias Hack mimt eine Art freundlich-durchtriebenen schlechten Hund, und Lisa Fuchs ist so desolat, zerrissen und verschreckt, dass man ihr die Überdrehtheit ziemlich glaubt. Das Deutsch von Wolfgang Zoubek ist eher abgeschliffen als abgefuckt. So bleibt immer der Rest eines fremden Blicks.
„Das Maschinentagebuch“ von Matsuo Suzuki hatte im Linzer Phönix-Theater deutschsprachige Erstaufführung: Eingepflanzt in eine atemberaubende Bühnenmaschine läuft ein skurriler Plot ab, der den Hype einer in Kapitalismus, Amerikanismus und Erlösungsfantasien ertrinkenden Gesellschaft spiegelt. Schrill!
Michio liegt angekettet in einer Containerhütte, ernährt sich von Cola und Cornflakes. Sein Bruder Akitoshi, der Fabriksbesitzer, ist mit Sachiko verheiratet. Als Keiko erscheint, eine muskulöse Kampf- und Sexmaschine in Frauengestalt, kommen Turbulenzen in das „Familienidyll“...
Nein, man muss der Handlung, die sprunghaft wie ein japanischer Manga-Comic abläuft, nicht haarklein folgen. Aber die Bilder, die Regisseur Steffen Höld in die beeindruckende Bühnenmaschine von Reinhard Taurer stellt, lassen einen nicht los. Da läuft das überhöhte Bild einer Gesellschaft am anderen Ende der Welt. Dort sind Kapitalismus und Amerikanismus zu einer hässlichen Fratze verschmolzen, und die patriarchale Kultur, die Gewalt an Frauen toleriert, tut noch das Übrige dazu.
Steffen Höld kommt nach den ersten langatmigen Szenen zu einem berauschenden Tempo. Maxi Blaha, Matthias Hack, Theo Helm und Lisa Fuchs machen die Farce zu einem Theatervergnügen. Das ist Apokalypse live und völlig abgehoben.