Titus Feuerfuchs hat es nicht leicht. Sowohl beruflich als auch privat hat er unter seiner roten Haarpracht zu leiden: ein verachteter Außenseiter in der Dorf- und Provinzgesellschaft. Aber das Schicksal kommt ihm zu Hilfe: in Form einer schwarzen Perücke, die ihm als Talisman geschenkt wird. Und damit beginnt unaufhaltsam der kometenhafte Aufstieg in den Kosmos der „Reichen und Schönen“, aber auch der ständige Kampf um Schein und Sein ...
Nestroy-Kenner Harald Gebhartl – dessen erfolgreiche Bearbeitung des „Zerrissenen“ noch vielen in Erinnerung sein wird – hat sich Nestroys bester Sittenposse um Außenseitertum und Alltagsfaschismus angenommen. Eine scharfzüngige Satire, die erbarmungslos die Vorherrschaft des Scheins in unserer Gesellschaft anprangert.
Eine “Linzer Fassung“ der viel gespielten Nestroy-Posse “Der Talisman“ zeigt das Theater Phönix. Eine stimmige, pfiffige, ideenreiche und beschwingt musikalische Produktion wurde am Donnerstag bei der Premiere bejubelt.
Dieser rotkopferte Titus Feuerfuchs ist ein wahrer Schlawiner, ein intelligenter Schelm, in dessen Rolle Theo Helm einen beachtlichen Sprung in Richtung eines bodenständigen Volksschauspielers gemacht hat: Er trifft exakt den Ton zwischen Nestroy\'scher Kunstsprache und Wiener Vorstadtslang und gibt zudem dem Titus auch eine gehörige und passende Portion Aggression. Die Couplets werden in den wunderbaren Arrangements von Wolfgang Peidelstein beinah\' zum Roadmovie-Sound - und mit Theo Helms Mariachi-Gitarre und seinem Gesang zu besonderen Gustostückerln.
Ein Ideenfeuerwerk
Regisseur Harald Gebahrtl gibt den Bühnenfiguren spürbar Halt und behutsame Führung. Und er hat keine Gelegenheit ausgelassen, sein funkelndes Ideenfeuerwerk zu zünden: zweieinhalb Stunden Spieldauer in einer Inszenierung, die ungemein viel Vergnügen bereitet, bis zur letzten Minute Tempo und Spannung durchhält. Es gibt beglückende und überraschende Momente: beispielsweise gleich am Beginn der perfekt einstudierte Gstampfte des Emsembles, oder die höllische Kutschenfahrt, oder das Geigen-Duell der Damen Salome und Flora - Kompliment!
Ein Schauspielteam der gehobenen Darstellerklasse - und auch als Musikanten harmonisch eingespielt: Helmut Fröhlich ein verschmitzt-witziger Plutzerkern, Matthias Hack als Frau von Cypressenburg samt Tochter (Wie das geht? Hingehen und anschauen! Und Hut ab vor dieser auch koordinativen Herausforderung!), Maxi Blaha als dralle Ulknudel. Neu und vielversprechend im Ensemble: Lisa Fuchs als Salome, eine verführerische Lolita und süßes Mädel aus der Vorstadt, das mit großen Augen die ach so böse Welt um sich wahrnimmt. Sie zeigt auch als Sängerin, dass noch vieles in ihr steckt. Ferdinand Kopeinig mit großem Komikpotenzial als französelnder Marquis und lachtränentreibender Onkel aus Amerika. Judith Richter als Flora - ein zartes, aber gar nicht zart besaitetes Wesen.
Ein Publikumsrenner
Die Bühne von Erich Uiberlacker deutet zwar die Nestroy\'sche Biedermeierzeit an, bricht diesen Raum gleichzeitig aber auch auf. Eine gute Idee, das “Volk“ als Beobachter auf Stühle in den Hintergrund zu setzen. Cornelia Kraske hat hübsche und detailreiche - besonders geglückt das Gärtnerpaar - Kostüme beigesteuert.
“Der Talisman“ ist viel gespielter Klassiker des Volkstheaters. Kein Wunder, hat Nestroy doch in dieser Posse mit Gesang brillanten Sprachwitz mit gut aufgebauter Komödienhandlung gepaart. Im Phönix wird daraus eine Produktion, bei der alles passt und bei der viel geblödelt und gelacht werden darf. Mit Sicherheit ein absoluter Publikumsrenner.
Der Talisman
Die Gesellschaft stößt Fremdes immer aus. Nestroy nimmt dafür symbolhaft die beiden Rothaarigen Salome und Titus Feuerfuchs. Der kommt zufällig in den Besitz einer Schwarzhaar- Perücke, mit der ihm plötzlich die Türen verwitweter Damen geöffnet werden. So lügt er sich die Karriereleiter hinauf, bis das Lügengebäude zusammenbricht.
Premiere: „Der Talisman“, Posse mit Gesang von Johann Nestroy aus 1840, im Linzer Theater Phönix — ein herrlicher Spaß!
Es ist ein Talisman der ganz besonderen Art, den der große Wiener Volksdichter Johann Nestroy (1801—1862) vor 167 Jahren auf die Bühne gestellt hat, um die soziale Wirklichkeit im Biedermeier sichtbar zu machen:
Eine schwarze Perücke nämlich, mit der sich der junge Musikus Titus Feuerfuchs, der wegen seiner brandroten Haare keinen leichten Stand hat im Leben wie im Gewerbe, als schwarzhaariger Gärtner verkleidet. Als solcher ist er bei der heiratslustigen Damen-, die zugleich Arbeitgeberwelt ist, gleich ebenso wohlgelitten wie in späterer Verkleidung als blonder För- ster — und am Ende gar als „früh ergrauter“ Neffe seines reichen Onkels aus Amerika.
Mit seinem Lehrstück über Vorurteil und Ausgrenzung, Karrierestreben und Überbewertung von Äußerlichkeiten hat Nestroy eine seiner reizvollsten Satiren geschaffen. Sie ist sozusagen von Haus aus aktuell, ließe sich die bitterböse Diskriminierung von
Haarfarben doch problemlos auf die spätere von Hautfarben beziehen. Oder auf den heute, wenn's grad opportun ist, chamäleonartigen Wechsel von Weltanschauungen, durch den die stolzesten Karrieren möglich werden.
Onkel aus Amerika statt „Bierversilberer“
Insofern wäre auch eine sehr viel politischere Inszenierung denkbar, als die angenehm unaufdringliche von Phönix-Chef Harald Gebhartl, der hier nur Teile der Posse, sozusagen in homöopathischen Dosen, ins Heute verpflanzt hat. Er lässt sogar in biedermeierlichen Kostümen (Cornelia Kraske) agieren. Und weiß dabei nicht nur Nestroys herrlichen Wortwitz, sondern auch Klischees des Boulevardtheaters — den schwuchteligen Friseur, den im Schwarzenegger-Kauderwelsch parlierenden reichen Onkel aus Amerika — gut zu nutzen. Lokalen und zeitkritischen Touch weisen die umgedichteten Strophen der als Popsongs
arrangierten Couplets auf, die die Linzer Mini-U-Bahn ebenso einbeziehen wie das kommende Musiktheater. Dass sich die sieben Darsteller dabei als veritable Live-Musiker entpuppten, brachte ihnen verdienten Zwischenapplaus ein.
Vor allem Theo Helm, der sich als lebenspraller Titus Feuerfuchs bravourös durch den Schwall Nestroyscher Wortgirlanden, Sprachverrenkungen und Satzungetüme schwadroniert. Aber auch Lisa Fuchs, die als brave Gänsehüterin Salome Pockerl eine Mischung aus herbem Charme und Verletzlichkeit findet. Matthias Hack ist köstlich als reiche Herrin von Cypressenburg samt Tochter (eine von ihm bediente Handpuppe). Maxi Blaha outriert als deren kühl-elegante Sekretärin schon zu hemmungslos, weil in die Karikatur abgleitend. Wandlungsfähig als „Perückier“, Knecht und Onkel aus Amerika: Ferdinand Kopeinig. Als forsch-feminine Gärtnerine: Judith Richter.
„Der Talisman“ als fulminanter Saisonauftakt im Linzer Phönix:
Mit Johann Nestroys „Der Talisman“ legt das Linzer Theater Phönix einen fulminanten Saisonbeginn hin und feiert quasi einen Start-Ziel-Sieg. Regisseur Harald Gebhartl betont vor allem die Entertainment - Qualitäten der Volkstheater-Vorlage. Um es in die Worte eines anderen Großen zu kleiden: „Schau’n Sie sich das an!“
Die Rotschädeligen als Virus im System: So passend, so zeitgemäß ist die zynische Posse, ein kurzweiliges Kleinod trotz einer Spieldauer von annähernd drei Stunden. An diesem unterhaltsamen Intrigenstadl passt einfach alles: Regie und Bearbeitung von Harald Gebhartl, die sehenswerte Bühne von Erich Uiberlacker, die witzigen Kostüme von Cornelia Kraske, die kecken Arrangements von Wolfgang Peidelstein: Augen- und Ohrenweiden!
Was soll ich Ihnen über dieses Ensemble erzählen? Lobeshymnen! Theo Helm gelingt als Titus Feuerfuchs praktisch alles, und Lisa Fuchs ist die süßeste Salome Pockerl. In einer Kategorie für sich spielt auch Matthias Hack als herbe Frau von Cypressenburg. Ihre Tochter Emma hat die Puppenmutter Gerti Tröbinger erschaffen. Was für ein Paar! Ferdinand Kopeinig, Maxi Blaha, Judith Richter, Helmut Fröhlich: pure Lust, ihnen zuzuschauen. Genial in ihrer Schlichtheit: die Phönix-Combo.
Umjubelte Premiere von Nestroys „Talisman“ im Theater Phönix
Nestroys bitterböse Gesellschaftssatire „Der Talisman“: heute so gültig wie vor 160 Jahren. Hochkomische Unterhaltung im Phönix.
Linz. Dumm, aufgeblasen, karrieregeil. Das Menschenbild von Johann Nepomuk Nestroy war wenig freundlich, dafür um so treffender. Die Niedertracht ihrer Umgebung bekommt zu Beginn auch Salome zu spüren. „Ihr seid’s so oberflächliche Folterknecht’“, hält sie ihren Peinigern eher spöttisch entgegen. Denn die Oberfläche zählt, der Schein. Und Salome ist rothaarig, somit verschlagen, minderwertig und was da sonst noch an Vorurteilen kursiert.
Salomes Verbündeter im Geiste wird der zugewanderte Titus Feuerfuchs. Ebenfalls Rotschopf und ein armer Schlucker. Ehe es zum glücklichen Ende mit Salome kommt, wird er sich noch ordentlich in der Gesellschaft der Schwarzhaarigen verbiegen müssen.
Premiere. Premiere von Nestroys Der Talisman war am Donnerstag im Linzer Theater Phönix. Glücksbringer ist für Titus eine schwarze Perücke, die ihm der „Marquis“ (herrlich französelnd, später eine köstliche Karikatur von Frank Stronach: Ferdinand Kopeinig) schenkt. Mit neuer, falscher Haarpracht gelingt Titus der rasche gesellschaftliche Aufstieg, bis zum „Konsulent“ der sangesfreudigen Schlossherrin. Er macht die wenig erstaunliche Erfahrung, dass auch anständige „schwarze“ Frauen eifrig mit dem Popsch wackeln, wenn sie eine „gute Partie“ wittern.
Aktualisiert. Nach etwas zähem Anfang explodiert diese Inszenierung geradezu. Witz und Slapstick, Tür auf, Tür zu, was für eine Gaudi! Regisseur Harald Gebhartl bearbeitete das Original für die Gegenwart, von Pepi Hickersberger bis Linz 09 reicht die Peinlichkeistpalette. Wehe, wenn diese Bühnenkünstler losgelassen: Theo Helm spielt einen wunderbar grimassierenden (und athletischen) Titus, Lisa Fuchs kontrastiert dazu schön als brave Salome. Extra-Applaus für Matthias Hack als Schlossherrin, Zwerchfell erschütternd sein Opernduell mit der eifersüchtigen Tochter, einer Handpuppe. Berechnende, lüsterne Weiber: Maxi Blaha und Judith Richter. Immer wieder eine Freude: Helmut Fröhlich, der den Gärtnergehilfen Plutzerkern gibt.
Minutenlanger Beifall, eine komödiantische Sternstunde des Phönix.
Mit dem unverwüstlichen Talisman von Johann Nestroy in Regie und Bearbeitung des Hausherrn Harald Gebhartl eröffnete das Theater Phönix die neue Saison. Die Bearbeitung bezieht sich voll und ganz auf Linz: die MiniUBahn, das Musiktheater, das Kulturhauptstadtjahr – jede Coupletstrophe ein Volltreffer. Wie die gesamte Produktion, die die roten Haare natürlich als Metapher für andere Grauslichkeiten wie „Daham statt Islam“ nimmt. Wieder einmal ist sich das Schauspielerensemble auch selbst die Begleitband und ist auf einer Reihe von Thronsesseln im Bühnenhintergrund der aufgebrochenen Wände auch gleichzeitig die Masse, die verächtlich auf die Außenseiter hinuntersieht. Die Außenseiter, das sind der großartige Theo Helm, der so etwas wie eine Neuinterpretation des Begriffs „Volksschauspieler“ bietet, als Titus Feuerfuchs und die verschmitzt-zarte Lisa Fuchs als berührende Salome Pockerl. Ihnen gegenüber die etablierte Gesellschaft, u.a. Matthias Hack als herb-herrische Gärtnereibetriebsbesitzerin Frau von Cypressenburg und deren Tochter Emma gleichzeitig. Mit diesem fulminanten Saisonstart zeigt das Theater Phönix, dass man auch Nestroy sehr wohl aktualisieren und modernisieren kann, ohne ihn und seine Komik zu zerstören.