Das Kulturhauptstadtjahr steht vor der Tür! Linz erwartet eine Vielzahl internationaler Besucher, um mit spektakulären Projekten die kulturelle Einzigartigkeit der Stadt zu präsentieren. Oder war es die kulinarische Einzigartigkeit? Ging es um die Linzer Torte? Egal. Bemerkenswert ist jedenfalls die brückenschlagende Gastfreundschaft der Linzer. Die Verkäufer der Obdachlosen-Zeitschrift „Kupfermuckn“ verstehen es zum Beispiel, die Festivaltouristen in ihrer Nationalsprache zu begrüßen, sei es Japanisch oder Isländisch.
Aber alles zu seiner Zeit. Heute sind die „Kupfermuckn“-Verkäufer Rudi, Bertl und Lindi noch auf der Suche nach einem Nachtquartier. In der Grottenbahn am Pöstlingberg - der für das Kulturhauptstadtjahr zum „Heiligen Berg“ erklärt wurde - finden sie zwar keine Schlafstelle, stolpern aber über eine Sensation: Das schöne Schneewittchen und der echte Adolf Hitler, die Jahrzehnte in einem Glassarg geschlummert haben, erwachen zu neuem Leben! Jetzt, zum Kulturhauptstadtjahr! Rudi, Bertl und Lindi beschließen, mit Hitler das ultimative eigene Großprojekt aufzuziehen. Doch der umtriebige Kulturmanager Reto Dunkler und sein musikalischer Freund Herbert von Ebensee haben bereits Lunte gerochen ...
Ein realsatirisches Auftragswerk des Ausnahmekünstlers Kurt Palm für das Theater Phönix.
Im Theater Phönix läuft jetzt schon ein Stück, das die Intendanz hart kritisiert – zum Gaudium eines Teils der Linzer Kulturszene: „Der Zwerg ruft“ von Kurt Palm.
Aber das war ja meine Idee, die hier realisiert wird“, ruft Adolf Hitler: „Die Führerstadt Linz wird Europäische Kulturhauptstadt 2009!“ Davon in Kenntnis gesetzt hat ihn Schneewittchen, die wie er aus langem, todesgleichem Schlaf erwacht und aus dem Sarg gestiegen ist – am Linzer Pöstlingberg, in der Grottenbahn.
Dort spielt nämlich Kurt Palms „Der Zwerg ruft“, und das ist wie vieles in diesem – speziell für das Linzer Kulturhauptstadtjahr 2009 geschriebene – Stück gar nicht nett gemeint. Aber hintergründig.
Der Pöstlingberg, den Martin Heller, Intendant von „Linz 09“, nicht wirklich geschmackssicher zum „Heiligen Berg“ erklären will und für den er „neue Monumente“ schaffen will, war einst wesentlich in Hitlers Visionen von Linz als Weltstadt und Kulturmetropole, die ihn bis zu seinem Selbstmord verfolgten: Er wollte dort eine monumentale Sternwarte bauen, mit Darstellungen der Weltbilder von Ptolemäus, Kopernikus und Hanns Hörbiger (Begründer der zu Recht vergessenen Welteislehre).
Protégé namens Herbert von Ebensee
Palm verwendet das für seine böse Satire – genauso wie die Tatsache, dass Hitler „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ liebte, und zwar vor allem als Walt-Disney-Zeichentrickfilm. Also dürfen die beiden in der Grottenbahn zueinanderfinden (nur keusch natürlich), entdeckt und geweckt von drei Obdachlosen, Mitarbeitern der (real existierenden) Linzer Straßenzeitung „Kupfermuckn“. Die ohnehin vorhatten, dem Intendanten Reto Dunkler (=Martin Heller) eine Märchenaufführung fürs Kulturhauptstadtjahr vorzuschlagen.
Doch dieser lehnt ab, sekundiert durch einen ziemlich eingerauchten Alpinsänger namens Herbert von Ebensee. (Dessen reale Entsprechung, der oft hart am Rand zum Ethno-Kitsch balancierende Hubert von Goisern, war von Heller schon im Vorfeld von „Linz 09“ quasi als kultureller Botschafter der Stadt präsentiert worden.) Auch die Linzer Torte, die Schneewittchen, Hitler und die drei Obdachlosen genießen, mag Dunkler nicht kosten, erklärt lieber eines seiner „Linz-09“-Projekte: „Migranten backen ihre ganz persönliche Linzer Torte und machen sie zur Interventionsfläche.“
Dieser Satz ist keine Erfindung Palms. Er ist typisch für den hohlen Kultur-PR-Slang, den Heller nicht erfunden, aber perfektioniert hat. „Eine Stadt kann schweben, wenn sie sich das zutraut, Tag und Nacht“, steht z.B. im Programmheft. Es ist schwer, darüber keine Satire zu schreiben.
Kurt Palm hat sie geschrieben und dabei keine naheliegende Pointe ausgelassen, bis hin zum bekannten Vergleich von Zürich und Wiener Zentralfigur. Der Hitler, den er Helmut Fröhlich darstellen lässt, ist eher vertrottelt als dämonisch, man kann über ihn herzlich lachen. Maxi Blaha ist ein ätherisches Schneewittchen, die Obdachlosen sind rührend, hier glänzt besonders Karl Ferdinand Kratzl; dass sie alle drei Wienerisch reden, könnte in Linzer Ohren etwas seltsam klingen. Theo Helm lässt den parodierten Hubert von Goisern ganz und gar nicht sympathisch wirken.
Palm jedenfalls hatte zumindest bei der Premiere die Sympathien auf seiner Seite. Vor allem die der Linzer Kultur- und Subkulturinstitutionen, die bei „Linz 09“ nicht vertreten sind. Wie das Theater Phönix, immerhin die Off-Bühne der Stadt. Laut Plan von Airan Berg, Theaterintendant von „Linz 09“, sollte sie 2009 von der „Linz 2009 GmbH“ bespielt werden, während das Phönix-Ensemble bei Workshops in Südafrika weilen sollte. Dazu kam es nicht. Stattdessen läuft 2009 im Theater Phönix u.a. Genets „Die Zofen“, Schillers „Kabale und Liebe“ und eben „Der Zwerg ruft“. Es wird der Kulturhauptstadt nicht schaden.
Die bissige Linz09-Satire "Der Zwerg ruft" von Kurt Palm unter der Pöstlingberg'schen Grottenbahn
Linz - Den Vorwehen von Linz09 auf der Spur, angestachelt von den Turbulenzen der Projekteinreichungsphase, begibt sich Regisseur und Stückautor Kurt Palm in die Tiefe. In einem Bunker unter der Pöstlingberg'schen Grottenbahn (Ausstattung: Michaela Mandel) schaute er Ende letzter Woche der zur Premiere versammelten Off-Szene der Stadt tief ins Herz. Denn wenn schon nicht dort, so schlummert jedenfalls hier, im Bauch des "Heiligen Bergs", das in Linz noch nie zuvor gesehene, geradezu märchenhafte Potenzial.
Es obliegt den drei Kupfermuckn-Verkäufern Rudi, Bertl und Lindi (Karl Ferdinand Kratzl, Ferry Öllinger und Georg Lindorfer) als wunderbar komödiantisches Triumvirat, den Kulturschatz zu heben.
In zwei Glassärgen schlummern Schneewittchen und Hitler, auf Erweckung samt Projekteinreichung wartend. Bis zu deren Auferstehung leistet sich Palm leider vermeidbare Längen. Der Volksbildner per Selbstdefinition weiß zwar (Sozial-)Geschichte charmant einzubinden, mit den Obdachlosen als Sprachrohr von unten, macht er aber auch vor dem breiten Nacherzählen Grimm'scher Märchen nicht halt. Die scheint notwendig, bleibt doch das gifthalber farblos herumstaksende Schneewittchen (Maxi Blaha) auch rollentechnisch etwas blass. Um Hitler ist man da schon bemühter. Helmut Fröhlich gelingt eine komische Verkörperung mit bekannten Mustern, die nie abgeschmackt daherkommt, auch wenn ihr ab und an allzu billige Wortspielchen in den Mund gelegt sind. Glänzende Augen kriegt Hitler, als er hört, dass sein Linz endlich europäische Kulturmetropole wird - ein Palm, wer Böses denkt.
Worauf alles wartet, das wird schließlich auch zum veritablen Höhepunkt. Der Intendant und sein auf der Donau schippernder Botschafter (Theo Helm als stets bekiffter Herbert von Ebensee) tanzen zur Projektbegutachtung an. Matthias Hack gibt eine donnernde Persiflage auf Martin Heller, der als Reto Dunkler energisch aus dem Programmbuch zitiert und zugleich Linzer Torte in der Faust zerbröselt.
Bei dieser sorgt bekanntlich, einsam zwischen trockener Teigschicht und einem ebensolchen Geflecht ruhend, die Marmelade für Genießbarkeit. Zuckersüß schmiert Palm sie der künftigen Kulturhauptstadt ums Maul. Und erntet befriedigte Bravos für das heitere Therapieren sattsam bekannter Probleme.
“Der Zwerg ruft“, von Kurt Palm für das Theater Phönix geschrieben, ist eine schräge Farce, die beim nächsten Besuch der Grottenbahn im Linzer Pöstlingberg wohl Hausverbot einbringen wird, weil ich mich vermutlich in Erinnerung an ihre Uraufführung vor lauter Kudern und Lachen grottenschlecht benehmen werde!
Was Palm als groteske Basis für sein Stück nimmt, ist durchaus nachvollziehbar: Wer je als Kind im dunklen Berg die Märchenfiguren besucht hat, den hat wohl auch schon der Gedanke schaudern gemacht, dass eine davon zum Leben erwache.
Genau diese Vorstellungskraft nutzt Phantasieschreiber Kurt Palm: Schneewittchen wird zum Leben erweckt. Und Adolf Hitler könnte ja tatsächlich den letzten Wunsch geäußert haben, in seiner geliebten Führerstadt Linz, die er zur Kulturhauptstadt des Großdeutschen Reiches machen wollte, die letzte Ruhestätte zu bekommen. Also gar nicht so abwegig, dass Sarg samt Inhalt ins Zwergen-Reich verbracht wurden. So kommt es im Bunker unter der Grottenbahn zum schwarzhumorigen Treffen zwischen dem ergrauten Schneewittchen und dem grauenhaften Diktator.
Helmut Fröhlich ist eine so heitere Hitler-Parodie zwischen bitzelndem Rumpelstilzchen und romantischem Bauernbub, dass einem dieser kleine Mann mit dem Größenwahn gar sympathisch werden könnt\'. Maxi Blaha ist ein manierliches Schneewittchen, das mit den sieben Zwergen Tisch und Bett teilt. Rund um diesen für eine Groteske schon ausreichenden Stoff baut Schelm Palm die Geschichte um drei obdachlose “Kupfermuckn“-Verkäufer, die in dem Bunker ein Stück für die Kulturhauptstadt - nicht jene von Hitler, sondern jene von 2009 - proben wollen. Daraus wird aber nichts nach dem Auftauchen von Schneewittchen und Hitler.
Wär\' das nicht ein Linz09-“Kracher“? Also stellen die drei ihren makabren Fund dem Linz09-Intendanten Retro Dunkler vor (Matthias Hack im T-Shirt, dessen Aufdruck kein Hehl aus Freundschaften macht, kauderwelscht sich Schweizerdeutsch durch den Fremdwörterdschungel).
Echt bis zum Raucherhusten
Im Schlepptau hat Dunkler den Linz09-Bootfahrer Herbert von Ebensee (Theo Helm bringt ziehharmonische Volxmusik ein). Und die drei “Kupfermuckn“-Obdachlosen: Sind diese Typen nun schauspielernde Sandler oder doch Schauspieler als Sandler?
Wobei diese Frage als Kompliment zu werten ist, denn ihr scheinbar amateurhaftes Bühnentun - mit Qualtinger\'scher Qualität angereichert - ist von höchster Authentizität. Karl Ferdinand Kratzl der Naivling; Ferry Öllinger der G\'scherte; Georg Lindorfer der Feinsinnige - da ist einfach alles echt, bis hin zum erbarmungswürdigen Raucherhusten!
Gewandet in ein Potpourri aus Second-, nein, mindestens Twelfth-Hand-Überbleibseln! Michaela Mandel hat einen gruselig-verstaubten Bunker samt Wasserbassin und Grottenbahn-Aussicht in den Raum gestellt. Wolfgang Peidelstein illustriert lautmalerisch. Eine sprachspielerische Groteske, die Autor Palm mit seinem humorerprobten Team kurzweilig und augenzwinkernd umsetzt.
Das Stück funktioniert nur hier in Linz und zu diesem Zeitpunkt: mit Wahrheiten, Original-Zitaten, Insider-Wissen und Linz(09)-spezifischem Schmäh. Ein Gast aus - nun, beispielsweise Zürich - hätte das andere Publikum bei der Uraufführung wohl für etwas einfältig gehalten: Wieso schütteln die sich bloß dauernd vor Lachen? Wir wissen schon, warum!
Kritik – Kurt Palms „Der Zwerg ruft“ eckt an und überschreitet auch Grenzen
Der Linzer Kulturhauptstadt-Patron Martin Heller schien sich gut zu amüsieren, obwohl Reto Dunkler – sein „Alter ego“ – auf der Bühne eine zwielichtige Figur verkörpert. Kenner der Linzer Kulturszene haben bis Jänner in Kurt Palms Persiflage „Der Zwerg ruft“ im Theater Phönix einen Wissensvorsprung . Sie verstehen auf Anhieb die Pointe, wenn drei Sandler die Exklusivrechte für eine Produktion beanspruchen. Und sie wissen auch, dass mit „Watzl ist mein Schatzl“ auf Dunklers T-Shirt der Vizebürgermeister gemeint ist.
Das Obdachlosen-Trio Rudi, Bertl und Lindi probt in der Grottenbahn am Linzer Pöstlingberg ein Märchenstück für die Kulturhauptstadt, stolpert über Särge und erweckt Schneewittchen und Adolf Hitler zum Leben. Endlich der heiß ersehnte Knaller für „Linz09“, glauben die Sandler, stoßen dabei aber auf Widerstand des Schweizer Intendanten und seines musikalischen Freundes Herbert von Ebensee, den auch Kulturlaien unschwer in Goisern ansiedeln. Das Stück verdeutlicht den realen Zwiespalt zwischen Kulturhauptstadt mit Flair und Perfektion mit dem Charme eines Schweizer Messers. Es hat Unterhaltungswert, aber auch Schwächen: Schneewittchen erinnert – trotz der verzaubernden Maxi Blaha – beim Verteilen von Zwergenmützen an die Mitstreiter zu sehr an die „Dumpfbacken-Tochter“ von „Al Bundy“.
Die Stimme Adolf Hitlers gleitet vom martialischen Stakkato des Diktators in joviale Mundart ab und verzerrt das Diabolische an dieser Person.
Bleiben die drei Obdachlosen als herausragende Figuren. Karl Ferdinand Kratzl spielt Rudi als skurrilen gesellschaftlichen Außenseiter mit Ödipus-Komplex. Er und seine „Kumpane“ Georg Lindorfer und Ferry Öllinger wurden bei der Premiere verdientermaßen mit dem meisten Applaus bedacht.
Kritik: Vielbeklatschte Uraufführung von „Der Zwerg ruft“
Kurt Palms Farce wurde im Theater Phönix uraufgeführt. Subtile Kritik suchte man vergebens. Großer Applaus für das Schauspiel-Ensemble.
Linz. Der Autor, Regisseur und Volksbildner Kurt Palm hat von Anfang an kein Hehl aus seiner Skepsis zu Linz09 gemacht. Diese bis zur Abneigung reichenden Vorbehalte hat der gebürtige Vöcklabrucker in seiner Farce Der Zwerg ruft verarbeitet. Den Auftrag zum Werk erhielt er vom Theater Phönix. Die Linzer Mittelbühne hatte auch ein Hühnchen mit Linz09 zu rupfen. Im Februar entschloss sich das Phönix 2009, nicht mit Linz09 zu kooperieren.
Dem Stück waren viele Unkenrufe und große Erwartungen vorausgeeilt. Am Donnerstag überzeugten sich Schwarzmaler und Sympathisanten gleichermaßen vom Endergebnis.
Zwerg. Drei Verkäufer der Obdachlosenzeitung Kupfermuckn brechen in einen Bunker unterhalb der Grottenbahn ein. Es soll ihr Sommerquartier werden, wo sie ein Theaterstück proben. Neben altem Gerümpel finden sie auch zwei Särge, aus denen kurze Zeit später Schneewittchen und Hitler entsteigen. Die Sensation scheint perfekt. Rudi, Bertl und Lindi wollen daraus ein Großprojekt für Linz09 machen. Als sie den Schweizer Intendanten Reto Dunkler und den Musiker Herbert von Ebensee holen, halten die zwei alles für einen Fake.
Brachial. Kurt Palm, der auch inszeniert, setzt durchgehend auf Brachialschmäh und Tempo. Kritikpunkte an der Linz09 GesmbH – abgesagte Projekte, Intendantengehalt – kommen zwar vor, werden aber vom Klamauk übertönt. Sensationell das Schauspielensemble: Ferry Öllinger, Karl Ferdinand Kratz und Georg Lindorfer (beachtliches Schauspieldebüt des Linzer Bühnenbildners) brachten als Kupfermuckn-Verkäufer Lokalkolorit auf die Bühne.
Märchen. Matthias Hack spielte den Kulturmanager Reto Dunkler auf Schwyzer Dütsch und zitierte Linz09-Chef Martin Heller nonstop, was ihm Szenenapplaus einbrachte. Als kiffender Musiker Herbert von Ebensee wurde Theo Helm zu einem gestischen Ebenbild Hubert von Goiserns. Die Märchenabteilung beseelte Maxi Blaha mit einem herrlich verwirrten Schneewittchen. Und Helmut Fröhlich verlieh Hitler Rumpelstilzchen-Züge.
Der erwartete Rächer der freien Szene ist Der Zwerg ruft vielleicht nicht. Dafür eine derb-rasante Unterhaltungsshow, die mit viel Applaus bedacht wurde.
Linz-09-Farce „Der Zwerg ruft“ von Kurt Palm im Theater Phönix als „Zwergerlaufstand“, der nicht wirklich weh tut
Weil das Phönix nur als Spielstätte, aber nicht mit eigenen Projekten gefragt war, hat sich das Ensemble bekanntlich entschieden, die Zusammenarbeit mit Linz09 aufzukündigen. Stattdessen wurde Kurt Palms Satire „Ein Zwerg ruft“ angekündigt, deren Uraufführung am Donnerstagabend mit Spannung erwartet worden war.
Ihr Inhalt ist rasch erzählt: Das Obdachlosentrio Bertl, Lindi und Rudi sucht Unterschlupf in einem Bunker unter der Grottenbahn am Pöstlingberg. Ausgerechnet mit einer freien Version von „Der Wolf und die sieben Geißlein“ wollen sie sich für „Linz09“ bewerben. Als sie die Särge von Schneewittchen und Hitler finden, die auch noch lebendig werden, wittern die drei den großen Coup, mit dem sie nicht nur bei 09-Intendant „Retro Dunkler“ landen wollen.
„Linz09“ wird hier nur plakativ angekratzt
Matthias Hack darf mit einem „Watzl ist mein Schatzl“-Leiberl (gemünzt auf Kulturreferent Vbgm. Erich Watzl) und Sandalen wie in der Realität Worthülsengewitter von sich geben, bleibt aber insgesamt als Heller-Parodie eher blass. Theo Helm als Herbert von Ebensee hat sein Alter ego 09-Botschafter Hubert von Goisern als eifrigen Kiffer zu zeichnen, der auftretende Differenzen mit seiner Musik zudeckt. Dass Schneewittchen (Maxi Blaha, weißgelockt) unter dem „Heiligen Berg“ den in seine „geliebte Heimatstadt“ überführten Hitler wachküsst, bietet Palm
Gelegenheit, die „Führer“-Visionen von der „europäischen Kulturmetropole“ mit der Gegenwart kurzzuschließen. Ansonsten ist Palm aber weder als Autor noch als Regisseur allzu viel eingefallen. Einspielungen der „Schneewittchen“- und „Rübezahl“- Texte dehnten den ohnehin eher zähen Ablauf. Und Sager wie „Die Stadt wird immer heller, die Kultur ist im Keller “ oder 09-Schauspielchef Airan Bergs Verkleinerung zum „Hügli“ sorgten zwar für obligate Lacher, halfen aber auch nicht, die plakative Farce über die Harmlosigkeitsgrenze zu heben. Auch Phönix-Mitbegründer Ferry Öllinger und Karl Ferdinand Kratzl waren
als Bertl und Rudi darstellerisch nicht wirklich gefordert. Helmut Fröhlich als verwirrte Hitler-Inkarnation schlug sich wacker; den Löwenanteil am Applaus erhielt zurecht Bühnenbild-Profi Georg Lindorfer (Lindi) bei seinem unprätentiosen Schauspiel-Debüt.
Premierengäste, die über Linz09 lachen wollten, kamen auf ihre Kosten. Diejenigen, die bei diesem Stück auf eine profilierte Selbstbehauptung des Phönix mit seinem eingeforderten Status als relevante österreichische Mittelbühne gewartet hatten, müssen jedoch auf andere Produktionen hoffen.
Das Ende November vom Theater-Phönix gegebene Stück »Der Zwerg ruft« ist eine wirklich lustvolle Auseinandersetzung mit den Vorwehen des Kulturhauptstadtjahres in Linz. Sitzt man in der Inszenierung von Kurt Palm, so überkommt einen das Gefühl, als hätten sich hier ein paar Lausbuben ans Werk gemacht, um den Kulturhauptstadtmachern kräftig ans Bein zu pinkeln und vor die Tür zu scheißen. Die scheinbare Unvollkommenheit der Inszenierung, die billigen sexuellen Anspielungen und Wortwitzchen, die linkisch tapsenden SchauspielerInnen bergen allerdings die Kernaussage dieses Stückes: Linz 09 ist es nicht wert, dass man sich tiefschürfend und seriös damit auseinander setzt. Das »bochene Programm« (Kurt Palm) und die billigen PR-Gags der Kulturhauptstadtmacher schreien geradezu nach billiger Verarsche. Wie auch sonst sollte man sich Dingen wie »Linz muss 2015 die interessanteste Stadt Österreichs werden«, »Pöstlingberg wird zum heiligen Berg« oder »Linz wird Linz 09« annähern? Wo, bitte, sollte hier ein ernsthafter, vielleicht sogar intellektueller Diskurs ansetzen? Ein auf den ersten Blick »dahergenudeltes« Theaterstück ist hier wohl die einzig adäquate Form, um auf solche Blödheiten zu reagieren. Die Tricks der Kulturhauptstadtmacher, mit denen sie in letzter Zeit versuchen, eine positive »Linz09-Stimmung« zu generieren, sind einfach so billig, dass die Antworten darauf auch nur billig ausfallen können. Oder, wie Melanie schon in den 70ern sang: »They put in a nickel and I sing a nickelsong«.
Palms Stück ist aber in einer sehr viel längeren Tradition zu sehen. Es ist die Tradition der Kasperliaden, des Karnevals und der bäuerlichen Schmähgesänge auf den Klerus. Immer wieder wurde die Inszenierung der Macht durch einfache, oft derbe Mittel bemerkenswert effizient unterlaufen. Alles sich Erhabenwähnende, alles Pathetische fand bald seine Lächerlich-machung und wurde erst so für das einfache Volk erträglich. Palm schöpft in seinem Stück und seiner Inszenierung (auch) aus diesem Fundus der Widerständigkeit gegen die Obrigkeiten, wenn er mit »Der Zwerg ruft« ein wunderbar räudiges Stück auf die Bühne des Theater Phönix stellt.
Als Besucher ging ich mit dem wirklich niederträchtigen Gefühl der Schadenfreude aus diesem Stück. Schadenfreude darüber, dass der Konflikt zwischen Linz 09 und dem Theater Phönix damit endet, dass man im Phönix lacht und Heller und Konsorten an dem giftigen Stachel, den sie sich bei dieser Auseinandersetzung eingetreten haben, noch lange laborieren müssen.