Die Achse des Bösen

Sujet: Dini Hroß
Uraufführung:
09.09.2004
Dauer:
-
Spielstätte:
Saal

Besetzung



Kostüme
Walpurgi Helml

Lichtgestaltung
Erich Uiberlacker

Soundtrack
Wolfgang Fadi Dorninger

Margot Binder
Margot Binder
Ingrid Höller
© Margit Berger
Ingrid Höller
Stefan Lasko
© Richard Dergovics
Stefan Lasko
Andreas Puehringer
Andreas Puehringer
Eckart Schönbeck
Eckart Schönbeck

Inhalt

Richard3, der missgestaltete „bloody dog“ aus dem Hause York, ist der Idealtyp des Verbrechers, das überragende Exempel der Skrupellosigkeit. Seinem Plan, die Herrscherkrone an sich zu reißen, ordnet er alle menschlichen Bedürfnisse unter. Er besitzt die glasklare Intelligenz, die kalkulierte Emotion, die zynische Menschenverachtung. Frauen werden umgarnt und in den Wahnsinn getrieben, Freunde und Feinde werden wie Spielkarten ausgespielt und abgeknallt, wenn sie seinem Ziel im Weg stehen. Richard nimmt sich die Freiheit, das zu tun, was ihm im Leben am meisten Spaß macht: Morden.

Macbeth ist der tragische Held schlechthin. Aufgrund einer Prophezeiung tötet er den König, um selbst König zu sein. Und er mordet weiter, um sich seine Herrschaft zu sichern, machtgierig unterstützt von Lady Macbeth. Aber das vergossene Blut lässt sich nicht so einfach von der Seele waschen, die Toten setzen sich in den Träumen fest. Macbeth verstrickt sich immer mehr in einen schlaflosen Albtraum, in dem Wahrheit und Lüge, Wirklichkeit und Phantasie, Leben und Sterben zunehmend ineinander verschwimmen.

 

Der Autor und Regisseur Ioan Toma hat zwei der großen Werke von William Shakespeare, „Richard III“ (1597) und „Macbeth“ (1609), in seiner Bearbeitung zusammengeführt. Das Stück verbindet zwei Inkarnationen des Verbrechers - den hemmungslosen Schlächter auf der einen, den von Gewissensbissen geplagten Zweifler auf der anderen Seite - zur Die Achse des Bösen - v Richard3: Macbeth. 

Zwei Königsmörder in ihrer Machtgier vereint – brutaler Schlagabtausch und poetische Seelenschau, Freiheit und Schicksal, Anarchie und Hierarchie, Komik und Tragik an einem Abend.

Einblicke

Dini Hroß
© Dini Hroß
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger

Pressestimmen

Das Morden ist der Mächtigen Lust

Saisonauftakt am Donnerstag im Linzer Theater Phönix: Mit der Uraufführung einer fantasievollen Bearbeitung und eines atemberaubenden Inszenierungskonzeptes der beiden William Shakespeare-Dramen „Macbeth“ und „Richard III.“. 

Zwei Stunden beglückendes und kurzweiliges Theatererleben. Da passt einfach alles, obwohl Szeniker Ioan C. Toma dafür einen elendslangen Titel gewählt hat, nämlich „Die Achse des Bösen (Wurzel aus) Richard3 : Macbeth. Nach Shakespeare von Toma“ – in Folge kurz das Stück genannt... 

Was trägt zu diesem beglückenden und außergewöhnlichen Theaterabend bei? Vieles natürlich. Vor allem aber das einprägsame Schau-Spiel eines herausragenden Darstellers wie Andreas Puehringer, der wieder einmal am Theater Phönix zu sehen ist. Er ist ein Glücksfall für die Bühne ebenso wie für diese Doppelrolle: Als Macbeth wie im eigenen Seelenkokon eingesponnen, als Richard III. sich wie ein exaltiertes Rumpelstilzchen gebärdend. Körperhaltung, Tonfall, Mimik, Gestik, Blick – ja, sogar das Blitzen der Augen – ändern sich schlagartig, sobald er in die jeweilige Rolle schlüpft. 

Ioan C. Toma hat ein stimmiges, schlüssiges und fesselndes Regie-Konzept entwickelt, Erich Uiberlacker hat ein kongeniales, von raffiniertem Lichtdesign ausgeleuchtetes Bühnenbild in den Raum gewuchtet: Treppauf, treppab geht es, immer der Macht entgegen, über viele Leichen wird gestolpert, die Gegen-Spieler werden wie in einer Schießbude abgeschossen. Richard, der skrupellose Krüppel, humpelt unaufhaltsam der Macht entgegen. Und Macbeth hechelt auf einem Laufband seinem eigenen Über-Ich und der Königskrone nach. 

Toma setzt gerne Symbolik ein, deutet viel an, überfrachtet aber nicht. Er weiß genau, wo die Grenze von der Komödiantik zur Kasperliade verläuft, kennt exakt jenen Punkt, an dem ein derart präsenter Schauspieler wie Puehringer gerade noch kokett mit dem Publikum „spielen“ darf. Und er vermag durch seine temporeiche Inszenierung Konzentration und Spannung beim Publikum einen Theaterabend lang aufrecht zu erhalten. 

Toma hat – mathematisch betrachtet – für sein Stück die Wurzel aus beiden Dramen herausgefiltert: mit beherztem Strich und in kluger Neu-Interpretation. Da fehlt nichts zum Verständnis der historischen und familiären Geschichte. Da wird die poetische, aber auch ironische Sprache des genialen Menschenbeschreibers William Shakespeare klar und deutlich vermittelt.

Erfreuliches Debüt der Neuen 

Walpurgi Helml hat bei den Kostümen in wenigen Andeutungen karikiert, ansonsten dominieren Schlichtheit und Sachlichkeit. Wolfgang Dorningers Soundtrack kommt bedeutende Rolle zu, seine stimmungsvollen Klangwolken begleiten, illustrieren und umhüllen das gesamte Geschehen. 

Ingrid Höller als Lady Macbeth ist eine Frau, die hinter ihrem Mann steht und ihn zu Höchstleistungen – diesfalls beim Morden – anspornt, ihn leitet und (ver)führt. Eine starke Frau mit starken Auftritten. 

Neu im Phönix-Ensemble und sehr erfreulich bei der Erstpräsentation: Margot Binder als zerbrechliche, auch wütende Lady Anne, in wahrhaft großer Rolle als Richards Mutter. Hurtig, diensteifrig, untertänig, beflissen in Mehrfachrollen sind Stefan Lasckovics und Eckart Schönbeck.

Silvia Nagl, OÖN, 11.09.2004

Mordgeile Shakespeare-Melange

Andreas Puehringer in „Richard3:Macbeth“ im Linzer Phönix 

„Richard3:Macbeth“ – Diese Formel steht im Linzer Phönix-Theater für eine neue Dimension von Shakespeare-Experimenten. Wohl zum ersten Mal treffen die beiden mordenden Monster auf der Bühne aufeinander. Eine mordgeile Melange mit einem fantastischen Andreas Puehringer als Dreh- und Angelpunkt. 

Ioan C. Toma hat die beiden Shakespeare-Dramen aufgedröselt, entkernt, und sie zur „Achse des Bösen“ zusammengepuzzelt. Alles dreht sich um die beiden Könige: Richard, ein genialer Menschenmanipulierer, ein Zyniker, bei dem die Mordrituale zum sinnlichen Schurkenspiel verkommen. Blut- und Machtrausch als Ersatz für einen, dem die Natur „den starken Körper vorenthielt“. Daneben Macbeth, der tragische Held, der zwar Seelenqualen leidet und dennoch weitermordet. 

Phönix-Heimkehrer Andreas Puehringer spielt sie beide – und wie! Er macht den hemmungslosen Schlächter Richard beinahe sympathisch, schickt den machtgierigen Zweifler Macbeth buchstäblich in die Tretmühle der Gewissenbisse. 

Regisseur Ioan C. Toma lässt Blut fließen und streut dazwischen immer wieder Häppchen mit Humor. Und zum ersten Mal erlebe ich den Einsatz einer Videokamera im Theater nicht nur als absolut schlüssig, sondern geradezu als meisterhaft. Rund um den überragenden Andreas Puehringer schart sich ein ausgezeichnetes Team: Stefan Lasczkovics gefällt vor allem als Buckingham, Eckart Schönbeck schlüpft und stirbt in verschiedensten Rollen, Ingrid Höller intrigiert als Lady Macbeth, Margot Binder bleibt als Lady Anne ein wenig blass, dafür darf sie als Richards Mutter einen buchstäblich großen Auftritt hinlegen.

Milli Hornegger, Krone, 11.09.2004

Faszinierender Blick in die Anatomie des Bösen

Theater Phönix zieht zwischen Shakespeares “Richard III.“ und “Macbeth“ eine gelungene “Achse des Bösen“ 

Shakespeare hat wie kaum ein anderer Dramatiker in die Tiefen der menschlichen Seele geblickt. Regisseur Ioan C. Toma unternahm das Wagnis, gleich zwei der größten Schurken des Dichters in “Die Achse des Bösen“ zusammenzubannen, wie er seine Verschmelzung von “Richard III.“ und “Macbeth“ nennt. 

Bravouröses Doppelspiel im fliegenden Wechsel Das Linzer Phönix ist immer für Experimente gut - und Toma nutzte die Möglichkeiten klug. Mit überzeugender Logik verschränkt er die Handlungsstränge, die beide im Zeichen von Mord und Machtgier stehen. Mit unterschiedlichen Vorzeichen:

Richard III. weiß genau, was er will, wenn er seine Gegner ohne jede Hemmung aus dem Weg räumt. Macbeth aber ist ein Zauderer zwischen der Begehrlichkeit nach dem Thron und dem Schauder vor dem Blut an seinen Händen. 

Andreas Puehringer meistert den ansatzlosen Wechsel vom einen zum anderen mit bewundernswerter Bravour. Mit diabolischem Lächeln macht sein körperlich ebenso wie seelisch verkrüppelter Richard die Zuschauer zu Mitwissern seiner tödlichen Intrigen. Als Macbeth ist er ein Getriebener auf dem Laufband - im engen Käfig seiner Gewissensqualen, die als Projektion seiner Gesichtszüge in Großaufnahme doppelt deutlich werden (wie überhaupt Bühnenbildner Erich Uibelacker den Raum für die beiden Handlungsebenen räumlich intelligent differenziert). 

Tomas Inszenierung stützt sich nicht nur auf seinen Hauptdarsteller und die zeitlose Gültigkeit Shakespeares. Sie schafft eindringliche Bilder wie den Einsatz von Spielkartenfiguren für die gemetzelten Opfer, ohne sich in platte Aktualismen zu verlieren. Den Figurenreichtum beider Werke verdichtet die Collage auf vier Schauspieler in mehreren Rollen: Ingrid Höller, als Lady Macbeth die treibende Kraft an der Seite ihres Mannes und als nuttenhaftes Opfer Richards; Margot Binder als Lady Anne, die den rasanten Wandel von der trauernden Witwe in das Bett des Mörders nicht ganz zu vermitteln vermag; Eckart Schönbeck u. a. als verblendeter Hastings; und Stefan Laszkovics, der sich vor allem mit dem Herzog von Buckingham als abgefeimter Spießgeselle Richards profiliert. 

Der Applaus des Premierenpublikums Donnerstagabend wusste vor allem Puehringer und die geglückte Inszenierung zu würdigen.

Birgit Thek, Neues Volksblatt, 11.09.2004

Die Achse des Bösen

„Richard III.“ trifft „Macbeth“ am Theater Phönix in Linz 

Das radikale Böse: Woher kommt es? Wo ist sein Ursprung? Was ist sein Grund und Boden? Diese Fragen, die sich Hannah Arendt einst stellte, beschäftigen auch Regisseur Ioan C. Thoma am Theater Phönix in Linz. Anders jedoch als Arendt, die behauptete, es habe nichts zu tun mit Psychologischem – Macbeth – und Charakterologischem – Richard III. - , spürt Thoma dem abgrundtief Bösen gerade anhand dieser beiden Shakespeare-Monster und ihrer unterschiedlichen Motivation nach. In seinem Projekt „Die Achse des Bösen“ stellt er beide Titelhelden in einer Extrakt-Fassung gegenüber und zieht die Wurzel aus „Richard 3 : Macbeth“. Heraus kommt nicht der Kern alles Bösen, das, was Arendt als den „Über-Sinn und seine absolute Logik und Konsequenz“ bezeichnete, heraus kommt bloß ein Mordsspektakel, eine theatralische Schurkenschau. Infinite injustice: Weil das Fiese so faszinierend ist. 

Für die Linzer Uraufführung hat Erich Uiberlacker eine Blackbox-Stufenbühne in das kleine Phönix-Theater gebaut. Darüber eine schwarze Leinwand, gesäumt von roten Varieté-Glühbirnen. Die Leinwand ist dem Königsmörder Macbeth vorbehalten. Immer, wenn dieser sich unten, in einem Kasten zwischen den Stufen, auf einem Fitness-Laufband abrackert, erscheint sein Gesicht oben in farbiger Video-Großaufnahme. Es ist das Gesicht eines Getriebenen, der sich, strampelnd wie ein Hamster im Laufrad, im eigenen Alptraum verrennt. Macbeth ist sich selbst sein größter Gegenspieler. Nachdem er einmal den Mechanismus des Tötens in Gang gesetzt hat, um König zu werden, muss er zwanghaft weiter töten, um sich als König zu halten. Die Ursünde, der Mord an Duncan, ist nicht mehr auszuräumen. Sie wirkt wie ein Gift, sie lähmt und lässt Macbeth die Welt wie im Fieber erscheinen. Andreas Puehringers poetische Monologe, die bei allem Nihilismus doch von Gewissenbissen unterlegt sind, haben in dieser Aufführung die stärkste Kraft. Hier leidet einer mehr an sich als an der Welt. Hier wirkt das Böse auf den Bösen zurück, und das Theater wagt einen Blick in den Abgrund Mensch. 

Faszinierend zynisch 

Ganz anders bei Richard III., dem brillanten Spieler, der sich per Willensbeschluss selbst zum Bösewicht erklärt und jeden Mord mit Lust und Kalkül angeht. Der Regisseur unterliegt der Faszinationskraft dieses Zynikers so sehr, dass er ihn als Charakter gar nicht erst zu fassen sucht, sondern sich mit der Behauptung, die der Richard als Figur immer schon mit sich bringt, begnügt. So ist in den Richard-Szenen eine Regie am Walten, die dem Bösewicht als exemplarischen Typus begeistert hinterherrennt und mit plakativem Gestus die Amoral feiert: als Mordsgag mit Kabarett- und Westernshoweinlagen, mit Radiodurchsagen und Playbackgesang. Es werden Pappkameraden durchlöchert, Luftballons zerspickt, Leichen verklappt. Andreas Puehringer, der in dieser Doppeldramen-Kurzfassung zwischen beiden Titelschurken hin- und herwechselt, karikiert Richard bloß: als einen einarmigen Krummbuckel, der sämtliche Morde eigenhändig begeht und dafür nicht einmal so etwas wie Charme aufbieten muss. Das Theater geht ihm trotzdem auf den Leim. Am Ende bleibt er der Böse aus der Wurzel. Es ist nun mal so, dass das Schlechte siegt.

Christine Dössel, Süddeutsche Zeitung, 11.09.2004