Die Eltern von Gustav sind übers Wochenende verreist. Er soll die Villa hüten. Für seine Freunde bedeutet das: sturmfrei! Trotz Gustavs anfänglicher Zweifel – wegen der teuren Möbel und der seltenen Whisky-Sammlung – lässt sich Gustav zu einer Party überreden. Max bringt seine fesche Freundin Julia mit, für Paul wird die geheimnisvolle Kathi eingeladen – und für Gustav? Mara, das Mauerblümchen. Zu Beginn der Party sind vier Personen verliebt, zwei davon heimlich, und eine ist noch nie geküsst worden. Am Ende der Party haben zwei ihr peinlichstes Erlebnis erzählt, eine ihr Coming-Out hinter sich und mindestens zwei sind keine Jungfrauen mehr. Und die Villa, naja egal.
Bist du nur aufgeklärt oder liebst du schon? Im Leben geht es doch nie wie im Biologieunterricht zu. Immer mischen Gefühle mit ... Auf höchst entspannte Weise und mit kultverdächtigen Brit-Rock-Songs nähert sich „Die Fortpflanzung der Amöben“ dem schönsten Thema der Welt.
Uraufführung im Rahmen des Kinder- und Jugendtheaterfestivals SCHÄXPIR am 21.6.2013
Uraufführung von „Die Fortpflanzung der Amöben“ im Linzer Theater Phönix
Regisseurin Heidelinde Leutgöb und Autorin Suse Grünau haben ein gutes Gespür für junge Befindlichkeiten. In gewöhnlichen Jugendstücken über das erste Mal infiziert sich jemand mit HIV, ein Mädchen wird schwanger oder beides - entweder war alles schrecklich schmerzhaft oder schrecklich grandios. So läuft erster Sex aber nicht, sondern so, wie es die beiden in „Die Fortpflanzung der Amöben“ (ab 15 Jahre) auf der Bühne des Linzer Theaters Phönix zeigen. Uraufführung: 21. Juni.
Die superreichen Eltern sind verreist, sie überlassen die Villa (tolle, schicke Bühne von Renate Schuler) ihrem wohlerzogenen Sohn Gustav. Der Bub ist 15 oder 16, gehemmt und kein Feschak. In der sturmfreien Bude steigt eine Party mit seinen Schulkollegen Max und Paul. Julia, Kathi und das Mauerblümchen Mara schauen auch vorbei. Gustav entspannt sich zusehends. Papas teure Whiskevs werden gesoffen, Peinlichkeiten über Penislängen und nicht erlebte erste Nächte werden gestanden, Hoppalas aus der Selbstbefriedigungskarriere werden erzählt. Das alles führt zu Konflikten, Verletzungen, aber auch zu der Versöhnung, dass das erste Mal die natürlichste Sache der Welt ist, der ein Zauber der Gefühle innewohnt.
Leopold Gessele wankt als Paul ein bisschen zu stufenlos zwischen Depression und Notgeilheit. Oskar-Wolf Meier ist ein routinierter Sexgott mit Talent zur Selbstironie. Beate Korntner ist der Inbegriff einer blonden Sirenenschönheit, und Lisa Schrammel behütet ihr Kathi Geheimnis trotz Ausgelassenheit auf sinnliche Weise. Komponist Gilbert Handler hat jedem Charakter Lieder auf die Seele geschrieben, die Psychologie wird oben drein getanzt, ohne Gedanken an Waldorf-Schulen anzuregen. Die Helden des Abends sind der schauspielerisch fein entwickelte Daniel Feik als differenzierter Gustav und Nastasja Winzig, die ihre Mara von der Raupe zum Schmetterling veredelt. Tosender Beifall!
„Die Fortpflanzung der Amöben" im Phönix ist hitverdächtig
Wie lang ist die erste Liebe jetzt her? Wurscht, wie alt Sie sind, das Linzer Phönix-Theater zaubert die Zeit von damals zurück - und die Jüngeren sind vielleicht gerade mittendrin in dieser Sturm- und Drang- und ,Sich-endlich-verlieben"-Zeit: „Die Fortpflanzung der Amöben" ist ein Hit, ist ein Hit, ist ein Hit!
Und einmal mehr zeigt sich, dass das Schäxpir-Festival längst nicht nur ein Theaterfestival für die Jugend ist - auch ältere Semester (wie ich) können dort erstens allerbestes Theater erleben und sich zweitens dabei köstlich amüsieren.
Der Stücktitel von Suse Grünau »Die Fortpflanzung der Amöben" führt ein wenig in die biologische Irre. Was Regisseurin Heidelinde Leutgöb da mit ihrem Team auf die Beine stellt, hat so gar nichts Schulmeisterliches an sich. Das ist ein entzückendes Stück über die Verwirrungen der ersten Annäherungen, über fehlgeschlagene (menschliche) Versuchsanordnungen und unverhofft erfolgreiche Mutproben. Es kommt daher wie ein Jugendmusical mit kultverdächtigen Songs (Handler/Holzinger) und mit Stimmen, die echt einschlagen. Der Ausgangspunkt ist eine sturmfreie Bude - na ja, eigentlich eine Designervilla (Partylandschaft von Renate Schuler). Hierher laden sich die Freunde von Gustav ein und probieren einmal aus, wie das so ist, mit dem angeblich schönsten Thema der Welt.
Das Ensemble ist schlicht zum Abknutschen: Daniel Feik als schüchterner Gastgeber Gustav, Leopold Geßele als cooler Loser Paul, Beate Korntner als blonde (sorry), aber stimmstarke Julia, Oskar-Wolf Meier als der peinlichste Max aller Zeiten, Lisa Schrammel als ganz besondere Kathi und Nastasja Katharina Winzig als Mara: ein selbstbewusstes Mauerblümchen - ja, auch das ist möglich! Ein Theatergeschenk für alle!
Sturmfrei. Da lassen es die Kids richtig krachen. Alkohol macht mutig. Das erste Mal Küssen, dann gleich ausziehen, erster Sex. Mara meint: „Amöben sind meist durchsichtig, ihr Zellkern ist extrem schlecht erkennbar.“ Ein guter Vergleich. Von Anfang an dreht sich alles um Sex, doch die verbale Coolness erlahmt, wenn\'s an den Kern geht. Braucht es heute noch Aufklärungsstücke? So eines unbedingt! Regisseurin Heidelinde Leutgöb und Autorin Suse Grün stellen in „Fortpflanzung der Amöben“ (ab 15) im Linzer Theater Phönix klar: Das erste Mal ist eine Begegnung, die vielschichtiger ist als das, was coole Freunde und Medien von sich geben. Es braucht Mut, Nähe, Selbstvertrauen. Mit Authentizität und Schauspielkunst berühren Nastasja Winzig, Daniel Feik, Beate Korntner, Oskar-Wolf Meier, Leopold Gessele und Lisa Schrammel. Herzerwärmend romantisch.