Patrick und Laurence haben sich getrennt! Ein Schock für ihre langjährigen Freunde Isabelle und Daniel. In einem schwachen Moment lädt Daniel Patrick und seine neue Freundin zum Essen ein, damit man sich ganz „ungezwungen“ kennenlernen kann. Bei Daniels Frau Isabelle läuten sofort die Alarmglocken. Was, wenn Daniel durch das junge Glück ebenfalls auf dumme Gedanken kommt? Doch sie besinnt sich auf die altbewährte Methode „sei deinen Freunden nah, aber deinen Feinden noch näher“ und stimmt dem Essen zu.
In „Die Kehrseite der Medaille“ wird der Zuschauer nicht nur Zeuge dessen, was gesprochen wird, sondern auch dessen, was gedacht wird. Florian Zeller entlarvt so in einer brillanten Komposition in bester französischer Komödientradition die Feinheiten der Manipulation.
Temporeich inszenierte und brillant gespielte Komödie „Die Kehrseite der Medaille'' von Florian Zeller im Linzer Theater Phönix
Der gute alte Louis de Funès hätte seine Freude gehabt am turbulenten, intensiven, beeindruckenden Schau-, Mimik-, Körper- und Sprachspiel von David Fuchs (als Daniel) und Marion Reiser (als Isabelle), denen der Spaß am komödiantischen Treiben anzusehen ist und schnell ins Publikum überschwappt. Großartig, wie David Fuchs schweißtreibend und konditionsstark wie in einer Hommage an Funès agiert: zum Zerkugeln! Und wie Marion Reiser gekonnt ein beleidigtes Schnoferl zieht, oder Zweifel äußernd die Stirn in Falten legt und blitzschnell wie eine Viper spitze Worte prasseln lässt.
Das Stück des Franzosen Florian Zeller ist eine flott geschriebene Komödie mit Wortwitz, wie auch seine beiden bereits im Theater Phönix gezeigten Werke „Die Lüge" und „Die Wahrheit". Nun also der dritte Zeller-Streich im Phönix: „Die Kehrseite der Medaille", die mit dem dramaturgischen Kniff aufwartet, auch die Gedanken der Akteure hörbar zu machen. Und das muss erst einmal auf einer Bühne umgesetzt werden: Das geschieht hier auf geschickte Art teils per Tonband, teils aber wenden sich die Schauspieler direkt dem Publikum zu. Regisseurin Caroline Ghanipour zeigt Gespür für Situationskomik, sie macht Tempo, hudelt aber nicht, was gut ist, denn sonst könnte das Ganze auch in Outrage kippen. Sie führt die Figuren genau, denn es bedarf schon großer Konzentration, um das Gesprochene und das Gedachte auch optisch zu trennen. Gekonnt nutzt sie den wunderbaren Bühnenraum, den Georg Lindorfer als einen geschmackvoll eingerichteten, loftartigen Wohn(t)raum samt Küche, Badezimmer, Treppenhaus und sogar Aufzug gebaut hat: sofort einziehbereit!
Als bei Daniel und Isabelle deren alter Freund, der gerade geschiedene Patrick - Markus Hamele gibt ihm arrogante Distanziertheit - mit seinem 20 Jahre jungen Gspusi - Nadine Breitfuß selbstbewusst agierend als Klischee-Blondchen - zum Essen eingeladen ist, geht's rund in diesem Gedankenkarussell: Bitte einsteigen und festhalten, weil es manchmal wirklich zum Brüllen komisch ist. Alles oder zumindest sehr vieles davon schon selbst gedacht, gemacht, erlebt, gehört, vermutet!
Großes Vergnügen auf hohem Niveau. Schade nur, dass im Programmheft nicht aufscheint, von wem die kongenial passende Zwischenmusik (Jaja, Je t'aime" kennen wir schon ...) stammt.
„Die Kehrseite der Medaille“ im Linzer Theater Phönix:
Florian Zellers „Die Kehrseite der Medaille“ hat die Komödie nicht neu erfunden - sorgt aber im Linzer Theater Phönix für knapp zwei Stunden perlende Heiterkeit. Dafür hat Georg Lindorfer ein äußerst kühles Wohnzimmer in den Saal gebaut - man beobachtet das
(Ehe-)Drama quasi durchs Fenster.
Zeller bedient in seiner Pärchen-Trickkiste durchaus schadenfreudigen Humor. So nach dem Motto: Es waren einmal zwei befreundete Paare. Doch, dann tauschte der eine Mann seine Frau gegen ein jüngeres Modell ...
In der Regie von Caroline Ghanipour legen sich die vier Darsteller kaum eine humoristische Schamgrenze auf: David Fuchs taumelt als „braver“ Ehemann ständig zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Bisweilen steigt er mir ein bisschen zu sehr aufs Lach-Gas - aber geschenkt! Marion Reiser ist seine g\'schnappige Angetraute. Patrick (Markus Hamele) genießt seine neu entflammte Leidenschaft für Emma (Nadine Breitfuß): süß und (leider) nicht unsympathisch. Ein lustvoll agierendes Quartett, von der Regie punktgenau getaktet. Zuschauen und -hören macht Spaß - mehr Nachhaltigkeit ist diesfalls nicht notwendig.
Premiere: „Die Kehrseite der Medaille" im Linzer Theater Phönix
In einem seiner wenigen hellen Momente geifert Daniel über die „entsetzliche Leere" der Freundschaft mit Patrick. Die Leere von Anfang an sichtbar, an Spannungslosigkeit krankt das Stück selbst. Drei Spießer um die 40 in Paris, kulturaffin und/oder neureich, denen eindreiviertel Stunden (ohne Pause) die Masken vom Gesicht bröseln. Dahinter tritt wenig Interessantes zutage. Ausgelöst wird die Entblätterung durch die attraktive Emma. Patrick hat für die 20-Jährige Isabelles bester Freundin den Laufpass gegeben. Isabelle ist mit Daniel liiert und das Chaos vorprogrammiert, als Daniel seinen alten Kumpel Patrick und dessen „Mädchen" zum Essen einlädt. Das Linzer Theater Phönix hält dem französischen Autor Florian Zeller die Treue, Premiere von „Die Kehrseite der Medaille" war am Donnerstag. Die „Kehrseite" zu zeigen, funktioniert erst noch recht hübsch. Stimmen aus dem Off verraten die Gedanken, wenn sich die Paare belauern. Wie Patrick, ein monströs netter Hipster (Markus Hamele), der sich mit einem edlen Tropfen einstellt. Wie die wütende Isabelle, die meint, Möchte-gern-Schauspielerin Emma zu durchschauen: eine Stripperin!
Anhäufung von Klischees
Marion Reiser als Isabelle noch die interessanteste Figur, lauernd, unberechenbar, mit schön dezent gespieltem Damen-Räuschchen. Die junge Grieskirchnerin Nadine Breitfuß als Emma im leichten Kleidchen unter dem Biberpelz undurchschaubar. Verdammt schlau oder vulgär? David Fuchs hat witzige Momente, aber zu schwer die Last, das Komödiantische zentral zu schultern. Fuchs ist als Daniel ein Windbeutel, hin- und hergerissen zwischen Treue zu Isabelle, Lust auf Emma und vermeintlicher Freundschaft mit Patrick.
Regisseurin Caroline Ghanipour häuft Klischees an, als würde sie eine Komödie über Komödien inszenieren. Der Champagnerkorken fliegt meterweit, damit alle ihre Ahs und Ohs loswerden können. In Daniels fiebrig-erotischen Fantasien darf er Emma auf der Anrichte flachlegen und ihr mit Weintrauben übers Dekollete streifen. „9 1/2 Wochen" français.
Über die Couch im designten Wohnzimmer (tolle Bühne: Georg Lindorfer) walzen sich alle, außer der kontrollierte Patrick. Sie wollen, je nachdem, wahrgenommen werden, beeindrucken oder Sex. Das Schweigen ausgekostet, wenn sich ihre Leere nicht einmal mehr mit Geschwätz füllen lässt. Warum der Schlamassel in ein Happy End mündet, wissen nur Regie und Autor. Nichts dringt in diese Lifestyle-Blase, sie zerstört sich von selbst. Fast eine Gesellschaftssatire, heftiger Premierenapplaus.