Bertl: „Wenn ma bei dem internationalen Obdachlosen-Shakespeare-Festival wos reißen woin, miass ma endlich weiterkumman. Und wonn ma Glick ham, gwinnen mia sogoar den ersten Preis und foahrn noch Strassfort.“
Die drei Kupfermuckn-Verkäufer Bertl, Rudi und Lindi proben im Linzer KPÖ-Heim in der Melicharstraße den „Sommernachtstraum“ von William Shakespeare. Da sie aber wenig Lust zum Textlernen haben, räsonieren sie lieber über Badewannen mit Seitentüren, depressive Metzger, die Marslandung oder die Staatspolizei. Als sie im Radio die Meldung von der Ermordung John F. Kennedys hören, wird ihnen bald klar, dass sie in ein Zeitloch gefallen sein müssen. Der Auftritt des „Mannes mit dem Diaprojektor“ und die Stimmen des „Geists von Hamlets Vater“ und des „Gespensts des Kommunismus“ tragen das Ihre zur Verwirrung bei. Als die zwei Musiker Said und Drago die Szene betreten, entspannt sich die Lage zunächst wieder bei einem gemeinsamen Tänzchen. Allerdings haben unsere drei Freunde die Rechnung ohne den Tod gemacht, dessen Erscheinen die Absurdität der Ereignisse auf die Spitze treibt.
Nach dem Erfolgsstück „Der Zwerg ruft“ im Kulturhauptstadtjahr 2009 wagt das unverwechselbare Trio erneut einen Trip durch das wilde Kurtpalmistan.
Das Stück “Ein Sommernachtstraum ...“ im Phönix-Theater Linz kriegt die Kurve zur Kapitalismuskritik
Linz – Kurt Palm, der Autor und Filmemacher, der Revoluzzer und Brecht-Dissertant, kriegt immer wieder, auch wenn Ein Sommernachtstraum im Titel steht, die Kurve zur Kapitalismuskritik. Shakespeares zugkräftige Komödie dient ihm als Stück im Stück, so einfach geht das. Drei Straßenzeitungsverkäufer proben im verstaubten KPÖ-Heim für das internationale Obdachlosen-Shakespeare-Festival. Sie wollen mit bescheidenen Mitteln den Sommernachtstraum aufführen.
Eine verheißungsvolle Ausgangslage, die Palm auch als Regisseur gewieft entspinnt. Im abgewirtschafteten Dekor des Sozialismus – selbst die Lenin-Gesamtausgabe ist eine hohle Buchattrappe (Ausstattung: Michaela Mandel) – erhebt sich auf dem Boden der Phönix-Bühne die Traumwelt der Feen und Handwerker, der Fürsten und Esel. Die Zutaten kommen vom Flohmarkt der Geschichte, und zu diesem zählt auch das sozialistische Inventar, allen voran ein “volkseigener Telefonapparat“, an dem mysteriöse Anrufe eingehen.
Hausieren gehen mit Karl Marx
Denn Kurt Palm belässt es nicht beim Stück im Stück, er lässt auch die Zeit aus den Fugen geraten. Während in der altmodisch vertäfelten Parteizentrale die drei Herren (Ferry Öllinger, Karl Ferdinand Kratzl und Georg Lindorfer) ihren Shakespeare malträtieren, dringen Radionachrichten aus den 1960ern durch den Äther und geht ein strenger DDR-Funktionär (Tom Pohl) erfolglos mit seinen Karl-Marx-Thesen hausieren.
Zugleich bricht auf den Straßen draußen hörbar ein Tosen los, auch Schüsse fallen, Inspektor Clouseau schaut von Zeit zu Zeit herein, und der Tod wartet geduldig auf der Damentoilette.
Viel los in der griechischen Melicharstraße. Das aus dem Geiste des Sozialismus entwickelte wilde sozialkritische Spintisieren nach der Trashtheatermethode der frühen Nullerjahre hat Zugkraft. Auch wenn die kabarettistischen Pointen (“Buongiorno“ – “John Porno“) ein wenig schwächeln. Kärntner und syrische Lieder Die Besonderheit des Abends (im tiefen oberösterreichischen Slang) liegt im versöhnlichen Ineinanderschieben verschiedener Perspektiven. Nicht nur finden Kärntner mit syrischen Liedern zusammen, werden oberösterreichische Religionskriege (Frankenburger Würfelspiele) in heutigen gespiegelt. Sogar einer wie der trinkfreudige Lindi bekennt sich irgendwann dann doch zu “Palatschinken nach den fünf Elementen“. Geht doch! Einzig für den holpernden Untertitel des Stücks Oder Badewannengriffe im Preisvergleich täte es Not Ersatz zu finden.
(Margarete Affenzeller, 5.2.2017) - derstandard.at/2000052139864/Der-Zauberwald-in-der-Parteizentrale
Kurt Palm lässt drei Obdachlose ein Shakespeare-Drama proben und entlarvt ganz nebenbei Populismus und Verblödung.
LINZ. Alles ist dem Untergang geweiht oder längst untergegangen. Rechte marschieren, weiß Allah, wohin. Linke? Keine Ahnung, wo die sind. Die Mitte zerbröselt. Alles taumelt dem Ende zu, jeder weiß aber auch, dass es weitergehen muss. Bloß weiß keiner, wohin. Nun, zumindest wissen drei Obdachlose, wo sie hinmüssen: zur Theaterprobe. Aber sonst: alles deprimierend - jedenfalls als Bestandsaufnahme für die Welt.
Als Ausgangspunkt für ein Theaterstück Kurt Palms ist es die Pole-Position. Immerhin wissen seine drei Protagonisten, was sie zu tun haben. Bertl (Ferry Öllinger), Lindi (Georg Lindorfer) und Rudi (Karl Ferdinand Kratzl) wollen zum Internationalen Obdachlosen-Shakespeare-Festival. „Sommernachtstraum“ nehmen sie sich vor. Und sie proben in einem KPÖ-Heim, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Jedenfalls baute die Salzburgerin Michaela Mandel dieses Heim auf die Bühne des Linzer Theaters Phönix so authentisch, dass man bangt, glaubt, hofft, dass gleich ein rettender Genosse ums Eck biegen wird. Es tauchen aber in regelmäßigen Abständen nur der Tod und ein Inspektor (beide gespielt von Tom Pohl) auf. „Das wird ja immer absurder. Es gibt immer mehr Verrückte auf der Welt“, ist der zentrale, mehrfach wiederholte Satz dieser Uraufführung von „Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“. Das mit dem Verrücktsein gilt für die Welt überhaupt, und für die Bühne im Moment des Spiels gilt es auch.
Theater im Theater übers Theater im Theater (und im Leben) mit einem scharfen Blick auf soziale Untiefen, seichte Unterhaltungsevents und primitive Politiker - daraus baut Autor und Regisseur Palm einen witzigen, lustvoll gespielten Abend. Schnell wird klar, dass der „Sommernachtstraum“ mit seinen wirren Verschlingungen und Parallelwelten da nur als Vorlage taugt. Die angebliche Probe ist nur dramaturgisches Grundgerüst für eine, wie Palm den Abend nennt, „dramatische Sozialskulptur“. Da wird der Athener Hof von Theseus mit einem Einkaufswagerl dargestellt. Es wird auch nicht die Traumszene im Wald geprobt, sondern die drei Obdachlosen träumen sich ihre eigene Welt. Und um die vier Handlungsstränge des Originals allen Ahnungslosen halbwegs zu erklären, werden Fingerpuppen bewegt. Palm lässt mühelos verschiedenste Assoziationskanäle aufgehen. Konsequent wird hinterhältig Schmäh geführt und auch vor brutalen Kalauern nicht zurückgeschreckt. So rutschen Sozialkritik und Populismusschelte, Satire über das Unaushaltbare, Klischees, die eh die Wahrheit sind, leicht ins Bewusstsein des Publikums.
So wird der Abend eine rechte Gaudi. Aber das kann man so auch nicht sagen, denn rechts wird übers Politische und das Groteske noch weniger gelacht als links. Also: eine reine Gaudi - für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Und was die Badewannengriffe betrifft: Von denen wird gesagt, es gäbe drei zum Preis von vier. Denn noch ist die letzte Sommernacht für ausbeuterischen Kapitalismus nur ein Traum.
Phönix: Viel Beifall für Kurt Palms Groteske „Ein Sommernachtstraum oder ..."
Die Kritiker hätten gerne, wenn man ihnen die Kritik gleich mitliefern würde, sagt Rudi, der in einer solchen seine Leistung entsprechend ins Rampenlicht rückt. Das sind höchstens alternative Fakten. Donnerstagabend erlebte Kurt Palms Stück mit dem überbordenden Titel „Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich" Uraufführung am Theater Phönix. Obwohl: Dort würde man nie spielen, weil nur Politisches oder Boulevard auf dem Programm stünden.
Der Geist und das Gespenst
Das Stück spielt also im KPÖ-Heim in der Linzer Melicharstraße, das gefühlsmäßig so ausschaut, wie es immer ausgeschaut hat. Und es beginnt mit einem Prolog im Dunkeln zwischen dem Geist von Hamlets Vater (der die falsche Bühne erwischt hat) und dem Gespenst des Kommunismus, die beide umgehen. Und schon sind wir bei William Shakespeares „Sommernachtstraum", den die drei obdachlosen „Kupfermuckn"-Verkäufer Bertl, Rudi und Lindi bei einem Obdachlosen-Festival aufführen wollen. Unter der Regie von Bertl werden Hochzeitsvorbereitung für Theseus und Hippolyta am Hof von Athen getroffen. „I hab‘ glaubt, di san nega", beteuert Rudi. Man sage jetzt Schwarzafrikaner, korrigiert ihn Bertl. An Shakespeares Stück ist man nicht so wirklich interessiert, obwohl: Handwerker spielen eine Rolle und da Rudi gerade „ganz günstig" Badewannengriffe für seine Mutter erstanden hat, geht ein Diskurs ab. Was passiere, wenn die Mutter in der Badewanne sitzend per Griff das Türl öffnet?
„Durschtiger" Mitstreiter
Ferry Öllinger ist als Bertl der Mann (auch als Frau reüssiert er), der schweißtreibend das Vorhaben zusammenhält, Karl Ferdinand Kratzl als Rudi ist ein Muttersöhnchen in Leopardenleggins mit viel Wissen, das keiner braucht, und Georg Lindorfer als Lindi im Rollstuhl ist ein „durchsichtiger" Mitstreiter ohne Hunger auf Theater und als Amateur samt Versprechern phänomenal. Sie waren schon die Protagonisten von Palms „Der Zwerg ruft", in dem die Profiteure von Linz09 treffend ihr Fett abbekamen. Linzer Kulturbonzen werden diesmal nur am Rande gestreift, ein Herr Mannequin (Mennicken) und ein Herr Schuster (Schneider) etwa. Palms Polit-Groteske hat Haimbuchner und „WC" Strache auf der Schaufel, auch andere Honoratioren kommen zum Handkuss. Dazwischen heftet sich Inspektor Clouseau auf die Fährte der Umtriebigen. Und dann sticht festen Schrittes auch immer wieder „Der Mann mit dem Diaprojektor" (ein köstlicher Tom Pohl) und mit DDR-Flair in das KPÖ-Heim. Er sei angefordert worden, über die elf Feuerbach-Thesen oder „Das Kapital" von Karl Marx zu referieren. Ein Zitat - dann wird er abserviert. „Wer war das? Ein Verrückter."
Kräftig geschüttelt
Regisseur und Autor Kurt Palm scheut nicht vor tiefen Wuchteln zurück, die teils wohl seiner Jugend entsprungen sind. Floskeln, Klischees, Wirklichkeiten - das wird kräftig geschüttelt und zur Wiedergabe gebracht. Und die Musik vom Kärntner Kroaten Marco MrÄela und dem syrischen Kurden Hasan Ibrahim samt Gebetsteppich ist bestes Minderheiten-Programm. Von Zeit zu Zeit schaut auch der Tod vorbei, aber er ist nicht gekommen, um zu bleiben. Deshalb geht es rund in „Kurtpalmistan" und dem Zeitloch, in das man samt Kommunisten gestürzt zu sein scheint. Eben wurde JFK erschossen …
Kurt Palms „Ein Sommernachtstraum“ feierte im Linzer Theater Phönix Uraufführung
Acht Jahre ist es her, dass sich Bertl (Ferry Öllinger), Lindi (Georg Lindorfer) und Rudi (Karl Ferdinand Kratzl) mit Adolf Hitler, Schneewittchen sowie allerlei verhaltensoriginellen „Linz09“-Protagonisten herumplagen mussten. Jetzt melden sich die drei hackenstaden „Kupfermuckn“-Verkäufer aus der Kulturhauptstadtjahr-Groteske „Der Zwerg ruft“ zurück. Am Donnerstag feierte die Fortsetzung „Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“ im Theater Phönix ihre Uraufführung. Unkonventionell und trotz einiger Längen unterhaltsam, die Absurdität des Alltags und den Mut zum seichten Schmäh gleichermaßen zelebrierend - kurzum, es war ein Abend, der klar die Handschrift des für Buch und Regie verantwortlich zeichnenden Kurt Palm trug.
Diesmal pflanzte Palm seine Protagonisten in ein soziopolitisches Umfeld, das ihm bestens vertraut ist: jenes der Kommunistischen Partei. In dem verstaubten und - im wahrsten Sinne - aus der Zeit gefallenen Vereinslokal von Oberösterreichs „Kummerln“ in der Melicharstraße 8 proben Bertl, Lindi und Rudi für ein Obdachlosen-Theaterfestival Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“. Rudis starke Abneigung gegen den Dichter aus Stratford-upon-Avon („Des Stickl is a Schas. Da Shakespeare is völlig übaschätzt, wonnst mi frogst“) stellt sich da noch als kleinstes Hindernis heraus.
Vollendetes Tohuwabohu
Denn nach und nach schauen auf der von Michaela Mandel liebevoll mit KP-Devotionalien ausgestatteten Bühne der in der Damentoilette hausende Tod, ein nervender Sachse mit Diaprojektor, Inspektor Clouseau (alle: Tom Pohl) sowie das syrisch-kärntnerische Musikerduo Said (Hasan Ibrahim) und Drago (Marco MrÄela) vorbei - und die harmlose Theaterprobe mutiert zum totalen Tohuwabohu!
Der Sinn des Ganzen? Tja. Eine gute, im Grunde aber bedeutungslose Frage. Der kreative Freigeist Palm hat kein Stück im klassischen Sinn geschrieben, sondern eine zwischen Zeitreise-Groteske, Politposse und Volksbühne changierende Szenerie geschaffen, in der das Chaos als oberstes Ordnungsprinzip fungiert und Stringenz ein verpöntes Fremdwort ist. „Des wird jo immer absurder“ heißt es an mehreren Stellen. Richtig. Der so irre wie irrlichternde Plot bemüht sich erst gar nicht, mehr als ein Vehikel für das Sandler-Triumvirat zum Spintisieren, G\'scheidwascheln und Lästern zu sein. Da wird die Frage diskutiert, ob „da Pühringer mitm Haimbuchner in die Hapfn“ geht, die Sinnhaftigkeit von psychiatrischen Behandlungen für Haustiere erörtert und versucht zu eruieren, ob PKK-Chef Öcalan in Verbindung mit der Tourismusregion Ötscherland steht.
Die Schmäh-Trefferquote rangiert bei etwa 50Prozent, auf jeden perfekt gezielten Seitenhieb auf das zeitgenössische Theater oder die Politikerkaste Oberösterreichs, folgt ein Kalauer à la „Da Pforra aus Steyr hot blechana Eier“ oder „Sei kein Waserl und lass ein Schaserl“. Dass „Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“ nicht in Löwingerbühne-Gefilde abdriftet, ist den hervorragenden Darstellern geschuldet. Insbesondere Ferry Öllinger als Prolo-G\'schaftlhuber Bertl und Karl Ferdinand Kratzl, der den naiven, verletzlichen Rudi mit Verve gibt, spielen sich die Seele aus dem Leib, um als „Kitt“ die (Soll-)Bruch-stellen in Kurt Palms Stück zusammenzuhalten. Über weite Strecken gelingt ihnen dies auch.
Linz (APA) - „Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“: Kurt Palm hat seines neues Stück Ferry Öllinger, Karl Ferdinand Kratzl und Georg Lindorfer auf den Leib geschrieben. Sie unternehmen, umweht von augenzwinkernder Marx-Nostalgie, eine Zeitreise bis zur Ankunft in der Ära der alternativen Fakten. Die Uraufführung am Donnerstag im Linzer Theater Phönix war ein höchst amüsanter Abend.
Die drei „Kupfermuckn“-Verkäufer Bertl (Öllinger), Rudi (Kratzl) und Lindi (Lindorfer), die dem Linzer Publikum schon aus Palms Linz09-Farce „Wenn der Zwerg ruft“ bekannt sind, studieren den „Sommernachtstraum“ für das Obdachlosen-Shakespeare-Festival ein. Als Proben-Location hat der Autor und Regisseur diesmal das Linzer KPÖ-Heim in der Melicharstraße gewählt, das auf der Bühne recht originalgetreu nachempfunden wurde.
Die Drei schweifen aber immer wieder ab und so geht es zwischendurch auch um Badewannengriffe, Pflegestufe sieben oder Haustierpsychiatrie. Bertl hat als Einziger noch so etwas wie ein Konzept, aus dem ihn Rudi als unerschöpfliche Quelle oft nutzlosen Wissens („Hobt‘s es des gwusst?“) immer wieder bringt. Lindi plagt indes mehr der „Durscht auf Kultur“.
Im KPÖ-Heim läuft die Zeit anders als im Rest der Welt und springt zwischen Marslandung und Ermordung John F. Kennedys unstet herum. Ein Mann mit dem Diaprojektor, der sächselnd einen Lichtbildvortrag über die elf Feuerbach-Thesen von Karl Marx halten möchte, verbreitet DDR-Flair. Der Tod kommt ungefragt und warum auch Inspektor Clouseau (alle Figuren gespielt von Tom Pohl) die Bühne in regelmäßigen Abständen unter seine große Lupe nimmt, ist unklar - aber beim Original-“Sommernachtstraum“ lässt sich schließlich auch nicht alles mit Logik erklären.
Ferry Öllinger als vernünftiger „Ressischör“ und Karl Ferdinand Kratzl als liebenswürdige, mit einem Mutterkomplex beladene Mimose in Leopardenleggings sind in dem Stück ohnehin in ihrem Element. Besonderes Lob gebührt aber Georg Lindorfer, dessen Metier eigentlich die Bühnenbildnerei ist: Er steht den Schauspiel-Stars um nichts nach und seine Darstellung eines Verkäufers der Linzer Obdachlosenzeitung „Kupfermuckn“, mit dem es das Leben nicht allzu gut gemeint hat, ist absolut authentisch. Musikalisch bilden der Kärntner Kroate Marco MrÄela und der syrische Kurde Hasan Ibrahim ein sehr harmonisches Minderheiten-Duo.
Das Stück ist kurz (rund eine Stunde), kurzweilig und mit jeder Menge Lokalkolorit versehen. Am Ende der Zeitreise lichten sich die Schwaden der gemütlichen Kummerl-Nostalgie und wir landen im Jetzt, wenn der schlaue Rudi erkennt: Es ist praktisch, rechtzeitig dafür zu sorgen, dass man alternative Fakten hat, wenn man sie braucht. Hobt‘s es des gwusst?
Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich – In Linz inszeniert Kurt Palm sein neues Stück und landet im humoristischen Untergrund
Linz, 2. Februar 2017. Kurt Palm und das Linzer Theater Phönix, sie haben eine gemeinsame Geschichte. 2009 war Linz Kulturhauptstadt Europas, und viele freie Kulturschaffende waren damals vor den Kopf gestoßen, weil sie sich viel zu wenig eingebunden fühlten ins offizielle Programm. Damals hat man den Schriftsteller und Theatermann Kurt Palm (in Österreich eine erste Adresse für Satire in Faustschlag-Dimension) ins Theater Phönix eingeladen, ein möglichst ätzendes Stück zu schreiben.
Ein Abend mit Vorgeschichte
So entstand "Der Zwerg ruft". Der Intendant der Kulturhauptstadt-Aktivitäten und der Folk-Pop-Musiker Hubert von Goisern, der sich für die PR hatte einspannen lassen, bekamen ihr Fett ab, so wie die Linzer selbst. Kurt Palm ließ damals im Linzer Wahrzeichen, der Märchengrottenbahn, nicht nur Schneewittchen, sondern auch Hitler auferstehen. Der Führer hielt auf Linz ja einst große Stücke – und die Linzer auf ihn. Linz hätte sogar NS-Kulturhauptstadt dieses Teils des Dritten Reichs werden sollen. Kurt Palms "Der Zwerg ruft" ist 2008/2009 in Linz und der näheren Umgebung zum Kultstück geworden. Kritischere Geister notierten freilich eine gewisse Harmlosigkeit.
Das alles ist noch keine geraden zehn Jahre her. Der Jubiläumsgedanke scheidet also als Motiv aus, warum das Theater Phönix die damalige Crew jetzt nochmal ranlässt: Die drei Wiener Volksschauspieler Ferry Öllinger, Karl Ferdinand Kratzl und Georg Lindorfer waren damals die Zwerge. Für das nun uraufgeführte neue Stück "Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich" sind die drei Kupfermuck'n-Verkäufer (so heißt die Linzer Obdachlosenzeitung) zu Möchtegern-Schauspielern mutiert.
Einer von ihnen möchte bei einem Odachlosen-Theaterfestival mit dem "Sommernachtstraum" reüssieren. Die anderen beiden Tollpatsche können mit Theater im Allgemeinen und mit Shakespeare im Besonderen ganz wenig anfangen. Schlechte Voraussetzungen also, wenn auch das Setting – ein kommunistisches Vereinslokal, wo sich auf jedem Einrichtungsgegenstand eine dicke Staubschicht abgelagert hat, die erst weggeblasen werden will – ein durchaus anregendes Ambiente als Probenlokal abgäbe.
Die drei Obdachlosen bleiben nicht allein. In einem Prolog irrlichtern der Geist von Hamlets Vater und das Gespenst des Kommunismus. Der Tod hat mehrere Auftritte. Er kommt nicht von draußen, sondern aus dem WC ("Aus der Damentoilette, dann ist es halb so wild"). Ein aufdringlich sächselnder Herr schneit mehrmals herein und möchte eine Diaschau über Marx und Engels los werden. Man wimmelt ihn ab. Mit dem Sommernachtstraum hat Palms Stück weder dem Text nach noch atmosphärisch irgendetwas zu schaffen. Der Autor und Regisseur spricht von einer "Polit-Groteske mit volksstückhaften Elementen".
Viel Stringentes ist nicht zu berichten, eher von einem kruden Sammelsurium an seichten Einfällen: Es wird gekalauert auf Teufel komm raus. Die Anspielungen auf die Lokalpolitik erreichen mehrmals das Niveau des "Villacher Faschings". Meistens bleibt aber noch Luft nach oben und es braucht schon viel guten Willen, all das wenigstens mäßig lustig zu finden. Von hintersinnig keine Rede. Sollte sich Publikum aus Westösterreich oder von noch weiter her in diese Aufführung verirren: Wiener Slang kriegt man ausgiebig mit.
Nicht uninteressant ein Blick ins Premierenpublikum: Da waren, so schien es, nicht wenige von damals, die sich seinerzeit diebisch gefreut haben, als Palm mit "Der Zwerg ruft" ein wenig gekratzt hat am damaligen Kulturhauptstadt-Establishment und der allgemeinen Linz-Euphorie. Ein solcher Anlass von außen fehlt jetzt und damit eine Begründung für das neue Stück überhaupt. Es verliert sich im luftleeren und satirefreien Raum. Die Oldies im Publikum zeigten sich dem Autor und Regisseur gegenüber am Premierenabend nicht undankbar.
Kurt-Palm-Uraufführung im Linzer Phönix als eher halblustige Altmänner-Revue:
Die gute Nachricht zuerst: Es war nicht urfad, sondern ganz unterhaltsam. Und der Villacher Fasching ist definitiv deutlich schlimmer. Aber das von Kurt Palm uraufgeführte „Stück“ namens „Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“ ist so seicht, dass Jerry Cotton dagegen Hochliteratur ist.
Es war kein Theaterstück, sondern eher ein bunter Abend, der als nette, aber halblustige Altmänner-Revue gestaltet war. Zu bewundern war vor allem der große Einsatz der drei Schauspieler. Die leidlich gelungene Regie hat - wie das „Stück“ – Kurt Palm am Gewissen. Ferry Öllinger, Karl Ferdinand Kratzl und Georg Lindorfer übernahmen die Aufgabe eines Föns, nämlich viel heiße Luft zu produzieren, mit großer Verve. Dabei hätte die Grundidee zumindest Charme: Drei Kupfermuckn-Verkäufer proben im Linzer KPÖ-Heim in der Melicharstraße den Sommernachtstraum von Shakespeare. Dabei werden allerdings solche „Klassiker“ wie „Aua, mei Kreuz in der Schweiz, mei Knia in der Panier“ gestreut. Kratzl darf in einer Tour Witze erzählen, die schon meiner Oma uralt vorgekommen wären.
Ein Satz, der immer wieder auftaucht, hat sich eingeprägt: „Es wird immer absurder. Wer war das? Vielleicht ein Verrückter. Es gibt immer mehr Verrückte auf der Welt.“ Und eine Szene am Schluss, wo der Sensenmann auftaucht, und das Trio ans Herz greifend über den Tod reflektiert.
Er sei nur in Linz, weil er wahrscheinlich die falsche Bühne erwischt hätte. Das meint das „Gespenst des Kommunismus“ zum „Geist von Hamlets Vater“, der fürchtet, in der Hölle gelandet zu sein. Ganz so schlimm, wenngleich grotesk, geht es im Vereinshaus der KPÖ aber nicht zu. In Palms Theaterstück „Ein Sommernachtstraum oder Bade-wannengriffe im Preisvergleich“ proben dort drei Kupfermuckn-Verkäufer den „Sommernachtstraum“. Da sie wenig Lust zum Textlernen haben, räsonieren sie lieber über (Sozial)Politik, Kultur oder Medien. Den Anfang machen Badewannengriffe.
Eine Kombination aus Baustelle mit herumstehender Leiter, Kisten sowie jeder Menge Staub und altem Veranstaltungsort mit Vorhang, Radio und Plattenspieler, dazu ein Aktenkasten mit Protokollen und gesammelten Werken von Marx (Bühnenbild: Michaela Mandel)- An diesem Platz ergeben Spuren der Geschichte, Politik und des Kommunismus ein Bild, das um Requisiten wie Wahlsprüche auf Plakatständern oder eine stehengebliebene Wanduhr ergänzt wird. Bis dass Bertl (Ferry Öllinger), Rudi (Karl Ferdinand Kratzl) und Lindi (Georg Lindorfer) jedoch merken, dass sie in ein Zeitloch gefallen sind, vergehen einige Stunden. In denen sie sich in der Melicharstraße treffen und Shakespeares „Sommernachtstraum“ für ein Obdachlosen-Theaterfestival proben oder vielmehr proben wollen, da ihnen ständig etwas dazwischenkommt. Ob ein noch nicht gelernter Text, Hunger, als interessanter empfundene Gespräche, Anrufe oder ungebetene Besucher – Es werde immer skurriler, merkt Bertl an, als ein schweigender Detektiv mit Lupe, ein Mann mit Diaprojektor (für Vorträge über Thesen von Marx) und schließlich der personifizierte Tod (alle Tom Pohl) bei der KPÖ auftauchen.
Der ist wie alle Figuren in „Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“ nicht furchteinflößend, sondern bringt die Theaterbesucher_innen mit Schleier, blinkenden Schuhen (Ausstattung: Michaela Mandel und Antje Eisterhuber) und „Lied vom Tod“-Klingelton zum Lachen. Hinzu kommen eine mechanisiert klingende Stimme und das Anzetteln einer Polonaise, die auf das zu viele Hören von Radio Arabella zurückgeführt werden könnte.
Das ist zugleich einer von vielen Seitenhieben in Palms Polit-Groteske. Rudi hat etwa bereits eine Rezension zum gemeinsamen Theaterstück geschrieben, da das jetzt Usus wäre, um Kulturjournalist_innen Arbeit abzunehmen. Die Besucher_innen lachen, wohl auch wegen des Eigenlobs für die Darbietung, und geben neben dem personifizierten Tod Witzen und pointierten Linz-Bezügen Zwischenapplaus. Während Aussagen über die Linzer Theaterszene oder die bis vor kurzem noch frauenlose Landesregierung harmlos sind, gehen andere Äußerungen zur Stadtwache oder zu Politikern wie Strache und Haimbuchner einen Schritt weiter in Richtung Unbequemlichkeit.
Palms (*1955, Roman „Bad Fucking“) Regie ist hier weniger stark als der Text selbst zu verorten. Brisante Themen wie der Islamische Staat, der Umgang mit Religion (en) etc. sind so verpackt, dass sie Besucher_innen weder überfordern noch verärgern. Ebenfalls ein Stück weit auf Sicherheit und das Abdecken möglichst verschiedener Geschmäcker setzen die Tanzeinlagen und Musik. Sie inkludiert den bekannten Tanz von Alexis Sorbas aus „Zorba le grec“, arabische und volkstümliche Elemente (Musikgestaltung: Armin Lehner), stilsicher performt von einem Live-Musiker-Duo (Hasan Ibrahim, Marco MrÄela). Die ihrerseits zu spät eintreffen und für die musikalische Untermalung des „Sommertraum“ zuständig sind. Darüber hinaus begleiten die beiden Musiker auch eine Szene, in der die „drei Grazien Bertl, Lindi und Rudi“ (Palm) über Träume, das Leben und den Tod sprechen. So angesetzt, dass sich der ernst anmutende Part zwischen all dem Humor, dem Absurden und der Satire kaum entfalten kann und langatmig wirkt.
Trotz dieser Szene, die das Stück nicht nötig gehabt hätte, kommt das Ende dann abrupt. Die drei Charaktere, die laut ihrem Autor „das reale Leben in Linz repräsentieren“ (Dialekt und teils volkstümliche Kleidung inklusive) sind wieder mitten im Proben. Vielleicht gibt Shakespeares Original tatsächlich keinen einprägenden Schlusssatz für „Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“ her, letzteres ist insgesamt dennoch ein kurzweiliges Gute-Laune-Stück. Belohnt mit einem heiteren Theaterpublikum und langem Schlussapplaus.
„Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich“ wird zunächst von zehnten bis zwölften Februar, jeweils um 19.30 Uhr, im Theater Phönix aufgeführt.
http://www.subtext.at/2017/02/geister-groteske-grazien/
Die drei Kupfermuckn-Verkäufer Berti, Lindi und Rudi spielen endlich wieder im Phönix, und zwar in der Uraufführung von Kurt Palms volksstückhafter Politgroteske Ein Sommernachtstraum oder Badewannengriffe im Preisvergleich. Das Trio möchte Shakespeare für ein Obdachlosentheaterfestival proben, fällt aber in seinem KPÖ-Proben-lokal Melicharstraße in ein Zeitloch, das sich hartnäckig durch einen DDR-Funktionär und den Tod personifiziert. Unterhaltsam, aber ohne allzu tiefe Bedeutung, bereiten Ferry Öllinger, Karl Ferdinand Kratzl und Georg Lindorfer mit Tom Pohl auf der liebevoll detailreichen Bühne von Michaela Mandel, unterstützt von den Live-Musikern Hasan Ibrahim und Marco Mrcela, in der Regie des Autors dem Publikum einen kurzweiligen Abend.