Einer weniger

Sujet: Dini Hroß
Uraufführung:
04.12.2007
Dauer:
-
Spielstätte:
Saal

Besetzung



Kostüme
Andrea Bernd

Musik
Sir Henry

Lichtgestaltung
Stefan Pfeistlinger

Lisa Fuchs
© Raphaela Danner
Lisa Fuchs
Matthias Hack
© Tania Marcadella
Matthias Hack
Theo Helm
Theo Helm
Ferdinand Kopeinig
Ferdinand Kopeinig
Judith Richter
© Tom Mesic
Judith Richter

Inhalt

Am Vorabend eines Begräbnisses treffen sich fünf Freunde zur Abschiedsgrillfeier. Ihr früherer Studienkollege Eike ist bei einem

merkwürdigen Unfall ums Leben gekommen. Der Zweifel, ob sein Tod möglicherweise Selbstmord (oder gar Mord?) gewesen sein könnte, entfacht gegenseitige Schuldzuweisungen. Alte Rivalitäten und irritierende Wahrheiten über Eikes Lebenswandel treten ans Licht. Bald ist man sich einig, dass er über seine eigene Unangepasstheit gestolpert sein muss.

Denn wer nicht mitzieht, bleibt auf der Strecke. In unserem System gibt es immer nur Sieger und Verlierer. Opportunisten und Opfer. Oder etwa nicht? Reiche und Ausgebeutete? Das richtige Leben und das falsche? Schwarz und Weiß? Nein? Das jüngste Stück des Berliner Dramatikers Matthias Wittekindt erzählt als modernes „Underdog“-Drama von Verlustängsten und Überlebenskämpfen in der Wohlstandsgesellschaft, vom gemütlichen Glauben an die eigene Ohnmacht und vom Zwielicht der großen Freiheit.

Einblicke

Dini Hroß
© Dini Hroß
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger

Pressestimmen

Wir sind arme Würschtl

Der vielbeschäftigte Berliner Autor Matthias Wittekindt hat im Auftrag des Linzer Theater Phönix ein Stück geschrieben: „Einer weniger“, eine absurde Tragikomödie, wurde bei der Uraufführung am Dienstag vom Publikum bejubelt.

„Einer weniger“ – das ist eine dramaturgisch geschickt durchkomponierte Mischung aus Krimi, Tragödie und Komödie mit viel schwarzem Humor. Autor Matthias Wittekindt ist erfahrener Hörspiel-Schreiber: Er weiß, wie pfiffige und pointierte Dialoge verfasst werden müssen – und er verfügt über publikumswirksames Augenzwinkern, als ihm auch der Schalk beim Schreiben im Nacken sitzt.

Und so stellt er mitten auf die Bühne einen Sarg – also genauer gesagt: zwei Särge, die aber grundsätzlich gesehen doch nur einer sind. Warum? Nun, das wird hier nicht verraten! Es gilt jedenfalls, Freund Eike zu beerdigen, der auf tragikomische Weise ums Leben gekommen ist.

Die Freunde und Wegbegleiter versammeln sich am Vorabend der Beerdigung – und dabei zeichnet Wittekindt erfreulich genaue Charaktere. Als da sind: Rainer, der Erfolgsmensch mit Hang zum Alkohol und zum Chefspielen. Ingrid, seine Frau, die ihr stylisches Leben und den Luxus, aber weniger ihren Rainer liebt. Helga, Lehrerin mit Durchblickschwierigkeiten, und ihr Angetrauter Thomas, beamteter Lehrer mit Neidkomplexen. Und dann noch Freund Elmar, vor kurzem noch ständig bekiffter Außenseiter, jetzt in freudiger Vatererwartung. Sie alle haben irgendwie Existenzängste, denen sie auf unterschiedliche Weise zu begegnen versuchen: drüberreden, negieren, ausflippen. Und einander gar nicht zuhören – das ist so lebensecht und herrlich witzig!

Monty-Python-Format

Dieses Stück ist eine wunderbare Ausgangsbasis für einen Regisseur. Hakon Hirzenberger vertraut auch auf die Stärken des Textes und setzt ihn mit der richtigen Portion Lachtränen treibender Situationskomik und wohldosierten Running Gags um. Wobei ihn das junge, komödientalentierte Phönix-Ensemble wacker unterstützt.

Matthias Hack (Rainer) ist einfach sensationell komisch mit seinen blutdruckhebenden Wutausbrüchen und Bitzel-Attacken. Judith Richter als stimmungsschwankende Ingrid erweist sich als sehr wandlungsfähig und mit ihren Highheels auch bergsicher. Lisa Fuchs als Helga ist zwar keine Blitzgneißerin, aber manches durchschaut sie doch. Ferdinand Kopeinig (Thomas) mimt diese Art von He-mich-schält-keiner-so-leicht!-Typ. Und Theo Helm als Elmar ist in seiner autistischen Redeart dem Kinostar Elling schon sehr nahe.

Und: Besonders beglückend ist die Musik des Frank-Castorf-Begleiters Sir Henry aus Berlin. Er begleitet mit seinen bunten Soundfarben nicht nur perfekt den Stücktext, sondern gibt mit Pilcher-ähnlichen Schmachtfetzen, Klassik-Einsprengseln oder comichaften Zeichentrickfilmkompositionen eine eigene, trotzdem sehr zurückhaltende Klangwelt.

Das morbid-skurrile Bühnenbild von Erich Uiberlacker ist ein riesiger Grabhügel mit rundherum verfaultem Grünzeug und Blumen.

Auch wenn manche Szene eine Nuance leiser sein könnte, ist die eineinhalb Stunden dauernde Aufführung absolut empfehlenswert. Da haben manche Szenen – beispielsweise jene beim Griller oder die mit den Rollmöpsen oder am Ende die Fabel mit den armen Würschtln und ... ach ja, so viele noch! – durchaus Monty-Python-Format.

Silvia Nagl, OÖN, 06.12.2007

Die Zukunft entzieht sich der Betrachtung

Kritik – Theater Phönix: Uraufführung „Einer weniger“ von M. Wittekindt

Aufgeschüttetes Erdreich, ein Meer aus Blumen und Pflanzen. Mitten im chemisch behandelten Natur-Idyll thront Eikes Sarg – zweigeteilt. Fünf Freunde inszenieren das Begräbnis ihres Freundes. Streitereien und Schuldzuweisungen brechen aus. War es ein Unfall? Oder doch ein Selbstmord, der verhindert hätte werden können? Immer schon hat Eike halbe Sachen gemacht. Aber musste er sich von einem schlechten Zauberkünstler entzwei sägen lassen?

„Einer weniger“ von Matthias Wittekindt ist ein Stück, das den Nerv einer Generation trifft. Im Speziellen geht es um jene Vertreter der etwa 30- bis 40-Jährigen, die sich in den Mittelstand hinauf gearbeitet und trotzdem stets den möglichen Absturz vor Augen haben.

Das der 1958 in Bonn geborene Autor keiner ist, der Dialoge und Charaktere im Kämmerchen entwirft, sondern auf diversen Gebieten studiert hat und tätig war, merkt man dem am Dienstag im Theater Phönix uraufgeführten Stück an.

Der Stoff kommt aus dem prallen Leben, die Dialoge fetzen. Die Menschen, denen er mit feinem und tiefschwarzem Humor nachspürt, sind nicht vom Reißbrett, sondern aus Fleisch und Blut.

Ein Stück also, das man weder gegen den Strich bürsten noch kürzen muss, und bei dem die Einfälle, die es zur Umsetzung braucht, nicht von weit her geholt sein müssen, um auf der Bühne zu zünden.

Hakon Hirzenberger konnte sich bei seiner Inszenierung auf das, was da ist, konzentrieren. Er hatte großes Vertrauen, und das wurde belohnt.

Sicher und intensiv Die Spannungsbögen stimmen, die Tempi sind gut gewählt, das Ensemble wurde gut aufeinander abgestimmt. Was da bei der Premiere ganz leicht und locker ablief, geht sich auf konzentrierte, intensive Teamarbeit zurück.

Selbst das Bühnenbild (Erich Uiberlacker) wurde nicht nur stimmig, sondern so praktikabel entworfen, dass es Pointen und Zusammenhänge noch sichtbarer macht. Hoffentlich reicht die Unterstützung der Stadtgärtnerei auch für regelmäßige Pflanzen-Wechsel aus, um die Geruchsentwicklung im erträglichen Bereich zu halten.

Aus dem engagierten Ensemble sticht die im Spiel wie stimmlich ausdrucksstarke Judith Richter als Gastgeberin und Aufsteigerfrau Ingrid heraus.

Großer Jubel und Applaus.

Caro Wiesauer, Kurier, 06.12.2007

Hilfloser Abgesang auf den Tod und die eigenen Träume

Uraufführung im Theater Phönix: „Einer weniger“ des deutschen Autors Matthias Wittekindt in atmosphärisch dichter Umsetzung

In der Mitte thront in waberndem Licht ein Sarg auf einem mächtigen Erdhügel, der Boden rundum ist blumenübersät: Die auratisch aufgeladene Raumlösung von Erich Uiberlacker trägt einen nicht zu unterschätzenden Anteil dazu bei, dem Auftragswerk des Phönix an Matthias Wittekindt größtmögliche Wirkung zu verleihen. Und auch Regisseur Hakon Hirzenberger hat gut daran getan, dem Geschehen einen surrealen Touch zu verleihen. Denn der Text „Einer für alle“ löst seine Intention nicht wirklich ein, ein berührendes Bild der „Generation 40“ mit ihren Hoffnungen und Nöten zu zeichnen. 

Wittekindt versammelt drei Männer und zwei Frauen um den Sarg ihres Freundes Eike, der unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist. Wie zu erwarten, brechen bei diesem Treffen im kleinen Kreis nicht nur die Erinnerungen und die Spannungen unter den Teilnehmern auf. Vordergründig kreist alles um die Schuld an Eikes Tod, dahinter steht aber die Hilflosigkeit, mit diesem frühen Sterben zurechtzukommen — noch mehr aber das Unvermögen, Orientierung im eigenen Le

ben zu finden. Die einen beschwören wie Rainer und Ingrid die Macht des Erfolges und des Geldes. Matthias Hack und Judith Richter nimmt man die Brüchigkeit dieses Lebenskonzepts ebenso ab wie das Zerbröseln der Werte für den Lehrer Thomas (Ferdinand Kopeinig) und dessen Freundin Helga (Lisa Fuchs), für die Eike die Chance auf eine Liebes-Alternative bedeutet hat. 

Aus diesem in sich selbst gefangen bleibenden Mini-Kosmos fällt nur Helmar heraus, der Rainers Werbefirma die nötige kreative Schubkraft verleiht, aber auch sonst für jede Arbeit gut genug ist. Wie vom Mond gefallen steht er da mit 

seinen seltsamen Ansichten von der zunehmenden Sonnenstrahlung. Aber er ist der Einzige, der Eike Hilfe angeboten hat, bevor dieser seinen obskuren Job in einem Zirkus angenommen hat, und auch der Einzige, der für sich eine Zukunft sieht. Theo Helm trifft den somnanbulen Ton dieser Figur punktgenau, atmosphärisch stimmig sind auch die Musik des Berliner Musikers Sir Henry und die Kostüme von Andrea Bernd. 

Fazit: Die Aufführung hat ihren bei der Premiere am Dienstag zu Recht beklatschten Zauber, das Stück selbst hinterlässt nicht unbedingt einen tieferen Eindruck.

Birgit Thek, Neues Volksblatt, 06.12.2007

Exzellente Farce im Blumenmeer

Uraufführung von „Einer weniger“ am Linzer Theater Phönix

In einem Blumenmeer steht ein Sarg. Da ist einer drinnen. Einer, über dessen Tod man spekuliert. Der Aufriss des Stücks „Einer weniger“ von Matthias Wittekindt mag grotesk klingen, Hakon Hirzenbergers Regie im Linzer Theater Phönix steigert die Groteske zu einer pfiffigen Kapitalismuskritik. Heftiger Beifall!

Sie waren alle mit dem Toten verbunden: der Unternehmer Rainer, der ihm keinen Job gab. Der Beamte Thomas, der ihm einen Job versprach, und dessen Ehefrau, die mit ihm etwas hatte. Nur der verkiffte Helmar hält sich aus dem Schuldgeplänkel raus …

Matthias Wittekindt gibt seinen Figuren Abgebrühtheit und Ignoranz. Sie alle sind einem Zukunftspessimismus verfallen, den sie als Strategie für persönlichen Erfolg nützen können.

Regisseur Hirzenberger entwickelt atemberaubende Bilder: Erich Uiberlacker stell den Sarg auf eine Erdpyramide, umgeben von einem herb duftenden Blumenmeer, was das sinnliche Theatererlebnis anheizt und die Groteske steigert.

Eine intellektuell kraftvolle Dame macht Judith Richter aus Unternehmersgattin Ingrid. Sie taucht die Absätze ihrer Stöckelschuhe ebenso tief in die Erde, wie ihren Gatten in den Schlamm der Anschuldigungen. Matthias Hack als Alphatyp spielt alle an die Wand, Ferdinand Kopeinig als Beamter leidet unter falscher Weltbetroffenheit, Lisa Fuchs als Helga trauert den Schenkeln des toten nach. Nur Theo Helm (Helmar) lässt sich nicht in die Karten blicken.

Eine witzige kraftvolle Farce, die am Turbokapitalismus kratzt und der Generation X den Spiegel vorhält!

Elisabeth V. Rathenböck, Krone, 06.12.2007

Baba, Mittelschicht!

„Einer weniger“: Rasante Uraufführung im Theater Phönix

Begeisternde Uraufführung im Linzer Theater Phönix: Matthias Wittekindts bitterböse Satire auf den Mittelstand „Einer weniger“.

Linz. Eike hat es in seinem Job sprichwörtlich „zerrissen“. Um der beruflichen Sackgasse zu entgehen, heuerte er beim Zirkus an. Dort sägte ihn ein „Magier“ entzwei. Dumm gelaufen. Jetzt stehen fünf Freunde und Exkollegen vor zwei Särgen.

Der in Bonn geborene Matthias Wittekindt schrieb mit Einer weniger ein bitterböses, herrlich komisches Auftragswerk über das Verschwinden des Mittelstandes. Uraufführung in der Regie von Hakon Hirzenberger war am Dienstag im Linzer Theater Phönix.

Naturgemäß sind die Trauernden weniger mit dem Verstorbenen als mit sich selbst beschäftigt. Der Tod erinnert sie an ihre eigenen Ängste, deren größte die vor dem gesellschaftlichen Abstieg ist. Denn die Grundregel des glorreichen freien Marktes haben sie allesamt verinnerlicht: Künftig wird es nur noch Sieger und Verlierer geben.

Da tritt zu Beginn mit Rainer (Matthias Hack) eine exemplarische Figur auf. Zwei Strategien gibt es, mit seiner Angst fertig zu werden: blöde Witze reißen oder sich blöd saufen. Rainer macht beides. Ingrid (Judith Richter), Helga (Lisa fuchs), Thomas (Ferdinand Kopeinig) und Helmar (Theo Helm) stoßen dazu. In der Folge reden sie sich um Kopf und Kragen, rätseln über ihre Schuld an Eikes Tod, umkreisen das leere Zentrum ihrer Existenz.

Erich Uiberlacker gestaltete die phantastische Bühne: weniger ein Blumenmeer als kapitalistische Müllhalde. Regisseur Hirzenberger drückt aufs Tempo, lässt keinen bösen Spaß aus. Tränen gelacht, viel Applaus für ein kollektiv tolles Ensemble.

Christian Pichler, Österreich, 06.12.2007

Trauerarbeit mit Schampus

Eine um einen reduzierte Clique trifft sich am Vorabend des Begräbnisses zur Abschiedsgrillerei. Auf der Terrasse neben Griller und Schampus auch der Sarg. Doch weniger dreht sich alles um den Toten als um die Schuldfrage an dessen Ableben. Im Erfolgsdenken gefangen will keiner den „Misserfolg“ des Sterbens mitverantworten. Das Beziehungsgeflecht der Gruppe enttarnt sich dabei zur Kenntlichkeit. Und je näher man ihm, dem Tod, via leerer Rituale und echter Hilflosigkeit kommt, desto angriffiger gestaltet sich die Trauerarbeit. In einer vor physischer Präsenz strotzenden Inszenierung von Einer weniger gelingt das Umschiffen jeglicher Society-Plattitüden mühelos. Regisseur Hakon Hirzenberger arbeitet Matthias Wittekindt gekonnt in die Autorenhände. Auch wenn man sich die Stille zwischen den Eruptionen noch einen Tick schärfer wünscht: ein mitreißender Theaterabend.

Wolfgang Schmutz, Der Standard, 11.12.2007