Eigentlich könnte Helen Toms Traumfrau sein: Sie ist intelligent, schlagfertig, charmant und sie teilt sein Faible für Kriegsfilme. Die Sache hat nur einen Haken: Sie ist sehr dick, „super size“, oder kurz gesagt einfach fett. Seinen Kollegen stellt er sie daher lieber nicht vor. Aus gutem Grund, denn kaum kriegt sein Freund Carter ein Bild von Helen zu Gesicht, schickt er es per Rundmail in der ganzen Firma weiter. In der Welt der Waschbrettbäuche, straffen Pos und perfekten Schenkel verliebt sich niemand in ein „fettes Schwein“, hier steht ein niedriger Body-Mass-Index für Selbstbeherrschung, Ehrgeiz und Erfolg. Tom sieht sich vor die Wahl gestellt: entweder glücklich mit Helen, aber isoliert, oder ohne sie im Kreis der „community“ der Alpha-Menschen.
Der amerikanische Dramatiker und Filmemacher Neil LaBute zählt mit seinen Theaterstücken BASH – STÜCKE DER LETZTEN TAGE, DAS MAß DER DINGE und TAG DER GNADE zu den erfolgreichsten und meistgespielten ausländischen Autoren. In FETTES SCHWEIN fühlt er dem Körperkult, Diätwahn und der Fixierung auf Oberflächenreize auf den Zahn. Raffiniert und hinreißend (tragi)komisch zeichnet er das Bild unserer Gesellschaft, in der auch die Liebe den Regeln der Verwertbarkeit unterworfen ist und die Partnerwahl sich auf den eigenen Marktwert auswirkt.
Umjubelte österreichische Erstaufführung des Stückes “Fettes Schwein“ von Theaterstar Neil LaBute am Donnerstag im Linzer Theater Phönix.
Zu Beginn grinst Helen glückselig beim Kauen der Pizza - und wie eine Tonmaske scheint ihr Gesicht am Ende zu zerbröseln ¼ Das ist die unter die Haut gehende Bandbreite von Susanna Wiegand, die in “Fettes Schwein“ natürlich und ungekünstelt als Helen brilliert. Und der sensiblen Regie von Barbara Neureiter, die genau zwischen Spaß und Nachdenklichkeit abwägt, ist es zu verdanken, dass es weder den Mitleidseffekt mit der armen Dicken noch das Zurschaustellen der fröhlichen Bladen gibt. Hier spielt eine Schauspielerin nicht nur, sondern i s t eine Schauspielerin, was sie spielt. Das ist ein absoluter Glücksfall - und auch ein großer Erfolg für eine großartige Schauspielerin.
Neil LaBute, seit einigen Jahren Shootingstar an amerikanischen und deutschsprachigen Theaterhäusern der Top-Kategorie, hat in “Fettes Schwein“ die schwierige (Liebes-)Beziehung zwischen Helen und Tom geschildert. Die Qualität seiner Stücke liegt darin, in scheinbarer Beiläufigkeit, aus Floskeln und Alltagsphrasen einen dramaturgisch spannenden Bogen aufzubauen, der ganz nah am wirklichen Leben ist.
Dabei wachelt LaBute nicht mit erhobenem Zeigefinger oder moralisiert über unsere politische Unkorrektheiten. Da wird einfach dahingeplaudert, geblödelt und viel gelacht - und dem Anderen weh getan. Alles so, als ob es jedem von uns passieren könnte. Matthias Hack ist perfekt in dieser Mischung aus dem unsicheren, verliebten und dann zaudernden Tom, der zu feig ist, Gefühl über Optik zu stellen. Margot Binder ist eine hyperaktive Model-Jeannie, die mehr essen sollte, um ihr angegriffenes Nervenkostüm zu beruhigen. Typgenau Eckart Schönbeck in überlässiger Coolness und doch verwundbarem Innenleben. Ein schnell wandelbares Bühnenbild samt Videos und stimmige Lichtregie tragen zum tollen Erfolg dieser absolut sehenswerten Produktion bei.
Premiere: „Fettes Schwein“, Tragikomödie des US-Dramatikers Neil LaBute aus dem Jahr 2004, am Linzer Theater Phönix
„Abartig. Eklig“. Ein „fettes Schwein“ eben ist Helen, die dicke neue Freundin von Tom für Jeannie, die er sitzen gelassen hat. Das könnte Tom egal sein, nur leider: Jeannie und er arbeiten in derselben Firma, wo sie fortan nichts Besseres zu tun hat, als ihm der Neuen wegen lautstarke Szenen zu machen. Kongenial mit anderen Mitteln unterstützt von Carter, Toms falschem Freund aus der Arbeit.
Dabei liebt Tom seine Bibliothekarin Helen, die er stilgerecht im Schnellimbiss kennen gelernt hat. Und die nicht nur optisch das genaue Gegenteil der chicen, schlanken, sexy, aber in ihrer Rachsucht sehr fiesen Buchhalterin Jeannie ist: sympathisch, witzig, verständnisvoll — und glücklich, so wie sie is(s)t. „Dicke sind fröhlich“, meint Helen selbstironisch. Tom ist hin und weg. Und könnte, „wäre man auf einer einsamen Insel am Wendekreis des Krebses“, eigentlich recht glücklich sein. Ist er aber nur, bis sich in der Firma herum spricht, dass seine neue Flamme ihr Fett nicht verbrennt, sondern ansammelt.
Neil LaBute, dessen erstes Erfolgsstück „Bash“ vor zwei Jahren im Eisenhand zu sehen war, hat sich mit „Fettes Schwein“ einen bitteren Kommentar zum modernen Schlankheitswahn mit all seinen Fitness-Studios und Wellness-Tempeln vom Leib geschrieben. Wie in „Das Maß der Dinge“ schlägt der US-Erfolgsdramatiker (Jahrgang 1963) sein Publikum auch hier mit herrlichem Wortwitz in Bann, leichtfüßig wie in einer Boulevardkomödie, ehe das Ganze ins Tragische kippt. Nur die frappierende finale Volte fehlt
Und Helen merkt, dass Tom sich für sie schämt. Was dem „Fetten Schwein“ leider fehlt, ist die sonst bei LaBute übliche, überraschende finale Volte. Und der Tiefgang.
Diesem kleinen Makel kann zwar auch Regisseurin Barbara Neureiter nicht abhelfen. Ansonsten hat sie aber — sehr erfolgreich — ihr Möglichstes zu 100 ebenso amüsanten wie am Ende berührenden Minuten Theater getan. Da spielen sich anfangs die großartigen Hauptdarsteller Matthias Hack und Gast Susanna Wiegand die Pointen zu, auf dass jeder Satz ein Lacher, jeder Witz ein Treffer wird. Hack überaus natürlich als Waschlappen Tom, der aus seiner Haut nicht heraus kann. Wiegand, überaus schlagfertig. Überaus punktgenau beide. Eckart Schönbeck mimt dazu gekonnt (nur anfangs ein wenig mechanisch) den ultracoolen Carter, Margot Binder die zickige Jeannie, hysterisch, aber nicht überzogen.
Das feine Bühnenbild (Alexia Engel) — eine Leinwand, vor die mal einfaches Mobiliar gerückt wird, mal Filmausschnitte auf sie projiziert werden — schafft das nötige Spielfeld. Wir verlassen das Theater im Wissen, dass in der Liebe bekanntlich nur die „inneren Werte“ zählen (Ironie lass\' nach). Und dass Dicke, wie schon Stefanie Werger predigte, die besseren Menschen sind ...
Erstaufführung von LaButes „Fettes Schwein“ im Phönix
„Fettes Schwein“ ist eine harte Ansage an unsere oberflächliche Gesellschaft. Nicht einmal die Liebe ist dem Schönheitsideal gewachsen.
Linz. Als Rubens im Barockzeitalter seine „saftigen Weibsstücke“ malte, war „big“ noch „beautiful“. Heute ist Dicksein peinlich. Das hänseln geht schon in der Schule los und lässt nur zwei Möglichkeiten offen: Abspecken oder resignieren. Der US-Erfolgsautor Neil LaBute widmet sich in Fettes Schwein gewohnt gnadenlos den Themen Fettphobie und Adipositas. Die Österreichische Erstaufführung der Tragikkomödie war am Donnerstag im Theater Phönix.
Amore. Helen und Tom lernen einander in einer Mittagspause kennen. Sie, eine korpulente, lustige Person mit einer großen Portion Fastfood. Er, ein schlanker zurückhaltender Typ mit einem Salat. Zwischen den beiden entwickelt sich Freundschaft, dann mehr.
Helen gibt sich keinen Illusionen hin: Sie weiß, dass sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht und trägt ihre Fülle scheint\'s mit Selbstironie. „Ich bin mit meinem Aussehen weitgehend zufrieden“, sagt sie, „jetzt muss ich nur noch die anderen davon überzeugen“. In einer postkoitalen Szene gesteht Tom, dass er so noch nie für eine Frau empfunden hat.
Szenenwechsel. Doch seine Arbeitskollegen, der fettphobische Sadist Carter und die hysterische Zicke Jeannie, bekommen Wind von der Romanze. Sie quälen und sekkieren Tom mit ihren Wertigkeiten und setzen ihn unter Druck.
Mutig. Als klare Sympathieträgerin in Barbara Neureiters Inszenierung kristallisiert sich die mutige Susanna Wiegand heraus: Sie spielt Helen verletzlich, aber abgeklärt. Matthias Hack ist ein mäßig lieber Tom, der zwischen Helen und seinen sogenannten Freunden wählen muss. Mit den besten Sagern ausgestattet: Eckart Schönbeck, alias Carter, der nicht alles aus sich rausholt. Margot Binder als äußerlich perfekte Jeannie.
Bei der finalen Stand-Party kommt es, wie es kommen musste. Nicht einmal wahre Liebe hält sozialem Druck stand, so die LaBute\'sche Conclusio.
Kräftiger Applaus für ein Stück zynische Welt, in der Äußerlichkeiten Liebe definieren und Charakterstärke ein Auslaufmodell ist.
Österreich-Premiere von „Fettes Schwein“ im Linzer Phönix:
Der Amerikaner Neil LaBute schrieb „Fettes Schwein“ und erzählt darin die Geschichte einer Liebe zwischen der charmanten Helen und dem Feschak Tom. Alles in Butter, wenn Helen nicht übergewichtig wäre. Das ist genug Stoff für die Hetzkampagne seiner Clique. Sensationelle Premiere im Theater Phönix!
Regisseurin Barbara Neureiter serviert Neil LaButes Liebestragödie „Fettes Schwein“ in 100 Minuten: Helen ist eine übergewichtige Lady, doch Tom ist fasziniert von ihrem Humor und ihrer Lebenseinstellung, die heißt: Die Menschen sollen ehrlich miteinander sein. Doch Toms Freunde tun alles, um dieser Beziehung keine Chance zu lassen...
Knallharte Sprachduelle halten der Überholspur-Generation von heute den Spiegel vor. Zum Vorschein kommen Fratzen, die sich an Oberflächlichkeiten begeilen und mit Mängeln beim anderen keine Gnade kennen. Zum Glück gibt es Helen, die einzig „Normale“ im filmischen Set (Ausstattung: Neureiter/Alexia Engel). Susanna Wiegand, Gast vom Theater an der Josefstadt, gibt ihr nicht nur Körper, sondern eine Seele von einem Menschen, der nach Tieferem sucht. In Tom glaubt sie, es zu finden. Matthias Hack entwickelt die Rolle als Liebhaber wunderbar. Langsam beginnt er zu verstehen, was Helen ihm bedeutet. Margot Binder ist Jeannie, die schrille Zicke, Eckart Schönbeck das „Großmaul“ Carter. Ein feiner Theaterabend“.
“Fettes Schwein“ ist die Geschichte der Bibliothekarin Helen, eines so schlagfertigen wie verletzlichen “Rounder Girls“, die den gerade in einer Liebeskrise lebenden Büroangestellten Tom kennen lernt. Liebe flammt bis zur Ekstase auf, aber im Büro mit seinem Macho Carter und der spindeldürren Buchhalterin Jeannie erntet Toms Verhalten nur Ablehnung. Wie kann man sich denn in Zeiten unseres Schönheitswahns mit einer “Tonne“ abgeben?
Neil LaBute schreibt “kritischen“ Boulevard mit pfeilschnellen Dialogen und einer gehörigen Portion Gefühlskitsch. Das müsste hoch differenziert gespielt werden. Die von Barbara Neureiter auf der “coolen“ Bühne von Alexia Engl sauber und sorgfältig gearbeitete Inszenierung bietet aber nur eine Ausnahme-Schauspielerin: Susanna Wiegand (vom Theater in der Josefstadt) spielt Helen mit einer grazilen Selbstsicherheit und Souveränität, dass ihre bemühten Partner zu schnell das Nachsehen haben.
Das Linzer Theater Phönix zeigt das Vier-Personen-Stück seit Donnerstag als österreichische Erstaufführung. Der amerikanische Autor ist durch seine raffiniert gebauten, locker-gesellschaftskritischen Dramen “Bash“ und “das maß der dinge“ auch auf deutschsprachigen Bühnen bekannt geworden.
Helen hat Körperfülle, weit jenseits der durch Schlankheitswahn postulierten Norm. Tom entdeckt ihr fröhliches Naturell für seine Liebe, die ihm seine soziale Umwelt vergällt: Bürokollege Carter, ein Nichtsnutz mit Leidenschaft für Intrigen, und Jeannie von der Buchhaltung, die hysterisch ihrer verblühten Liebe zu Tom nachläuft. Kaum ein anderer als der amerikanische Autor Neil LaBute versteht es, in alltäglichen Plaudereien kräftig Gesellschaftskritik zu üben. Denn „Fettes Schwein“, vom Theater Phönix in Frank Heiberts punktuell etwas zu bundesdeutsch klingender Übersetzung („Briefe eintüten“) zur österreichischen Erstaufführung gebracht, verhandelt weniger ideale Körpermaße, sondern dass andere in und von ihrer Wahrnehmung besessen Normen predigen. Dem Individuum macht dies die Gestaltung des eigenen Lebens schwer. Das Ende ist absehbar. Tom erklärt sich mutlos, sein Grund: die „Paranoia wegen der Leute“. Neil LaBute reicht nur die Analyse, keine Lösung, kein Happyend. Im Bühnenrahmen von Cinemascope-Format setzen wenige Versatzstücke ebenso jene Normen aus Konvention, die in unserem Wirklichkeitsbild bestimmte Räume definieren, z.B. Sitzkissen und niedriger Tisch mit Schälchen fürs japanische Restaurant. Barbara Neureiter versteht es, ihr Ensemble nuancenreich dicht zu inszenieren, kleinste bis ganz große Gesten, von der Ekstase des Zanks bis zu scheinbar nebensächlichen Körpersignalen, was beredter sein kann als ein ganzer Satz. Susanna Wiegand vom Theater in der Josefstadt gastiert als Helen, eine souveräne Frau, die zu sich steht, den Traum ihrer Liebe zu leben versucht. Matthias Hack spielt Tom in der Mühle zwischen seinen und den Gefühlen der anderen: Carter (Eckart Schönbeck) als polterndes Macho-Ekel und Jeannie (Margot Binder) als zickige 28 Jahre junge Schlankheitsapostelin mit Torschlusspanik. Ein Theaterabend wie ein offenes Buch, in dem wir über zwischenmenschliche Intoleranz lesen.