Gespenster

von
Henrik Ibsen
Sujet: Dini Hroß
Premiere:
17.03.2011
Dauer:
-
Spielstätte:
Saal

Besetzung


Bearbeitung
Ioan C. Toma


Musik
Wolfgang Fadi Dorninger

Lichtgestaltung
Hubert Schwaiger

Ferdinand Kopeinig
Ferdinand Kopeinig
Walter Ludwig
© Franz Nagel
Walter Ludwig
Daniel Pascal
Daniel Pascal
Judith Richter
© Tom Mesic
Judith Richter
Andreas Wipplinger
Andreas Wipplinger
Isabella Wolf
Isabella Wolf

Inhalt

Zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes will Helene Alving ihm zu Ehren ein Kinderheim errichten lassen. Zur Einweihung sind auch der in Paris als Maler lebende Sohn Osvald und Pastor Manders, ein langjähriger Freund der Alvings gekommen. Was als Triumph der bürgerlichen Familie gedacht war, entpuppt sich beim Zusammentreffen allerdings nach und nach als Familientragödie, denn der von allen geschätzte Hauptmann Alving war alles andere als ein treusorgender Ehemann und Vater. Er führte ein ausschweifendes Leben, was nicht ohne Folgen blieb. Helene dagegen versagte sich eigene Bedürfnisse und Pflicht, Ideale und Rücksichten wurden ihr Lebensinhalt. Als das Kinderheim in Flammen aufgeht, das die auf Lebenslügen beruhende Reputation der Alvings festigen sollte, stürzt die Fassade der bürgerlichen Familie endgültig in sich zusammen: die Gespenster der Vergangenheit haben Helene Alving eingeholt.

In „Gespenster" rechnet der norwegische Dramatiker Henrik Ibsen schonungslos mit verlogenen bürgerlichen Konventionen und Bigotterie, Scheinmoral und Heuchelei ab und führt jegliche Illusion von bürgerlicher Familienidylle ad absurdum. Ioan C. Toma komprimiert das Stück in seiner Bearbeitung zu einer rasanten Talfahrt in den Abgrund und legt dabei die beißende Ironie des Gesellschaftsdramas offen.

Einblicke

Dini Hroß
© Dini Hroß
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger

Pressestimmen

Die Gespenster der Vergangenheit

Für Henrik Ibsens Zeitgenossen waren seine „Gespenster" ein Skandal. 130 Jahre nach der Uraufführung lässt Regisseur loan C. Toma im Linzer Theater Phönix die Gespenster kurz und eindrucksvoll - im wahrsten Wortsinne - lebendig werden.

Als bei Frau Alving Erinnerungen, die sie längst gelöscht glaubte, wach werden, steigt ihr vor einem Jahrzehnt verstorbener Ehemann von seinem Denkmal herab. Im zuckenden Stroboskop-Licht geifert der Kalkweiße (Andreas Wipplinger ansonsten in stummer Sitzrolle) dem Stubenmädchen hinterher und. liefert sich mit seiner ihm nicht willig ergebenen Gattin einen brutalen Kampf. Die Musik schwillt an zu einem lauten Aufschrei. Eine faszinierende Szene.

Damit hat loan C. Toma wieder einmal bewiesen, wo seine absolute Stärke liegt: in der Vermittlung beeindruckender und verblüffender Bilder. Davon gibt es weitere in dieser Inszenierung, für die Toma die Textvorlage beherzt gestrichen hat, nur das wesentliche Handlungsgerüst stehen lässt - und dieses um ein paar schräge Songs mit den Texten von Luise Toma ergänzt.

So trällert uns gleich zu Beginn Engstrand (großartig Walter Ludwig als bauernschlauer Typ, der die eigene Großmutter und diesfalls auch die Tochter verkaufen würde) den bösen Reim vom Kinderheim, das er lieber als Bordell sehen möchte. Dazu regnet es aus einer Schlauchdusche in Strömen - wie es eben in nordischen Dramen so oft üblich ist.

Da macht sich jener Humor breit, den Toma zur Umsetzung dieses Dramas auch gewählt hat, allerdings nicht in aller Konsequenz, was einen manchmal inhomogenen Eindruck hinterlässt. Bühnenbildner Kurt Pint hat ebenfalls ein gewaltiges Bild in den Saal gestellt: aus Metall gefertigte Sessel, die wie in einer Familienaufstellung Hierarchien und Machtverhältnisse symbolisieren, vom Miniatur-Kindersessel bis zum riesigen Sitzmöbel. Alle auf der Bühne platziert zu einer mächtigen Skulptur, die von den Bühnenakteuren zögerlich bis flott bestiegen und erkraxelt wird.

Kecke Musik-Arrangements

Isabella Wolf will man die jahrzehntelang unter Lustanwandlungen und Betrügereien ihres Mannes leidende Frau Alving nicht so recht abnehmen: zu smart, zu selbstbewusst und emotionslos wirkt diese Frau, an der diese Ehehölle scheinbar spurlos vervorbeigegangen ist. Hervorragend Daniel Pascal als Pastor mit süßlichem ich-habe-meine-Schäfchen-lieb-Lächeln: Eine feine Studie eines Kirchenmannes, dem die Lenden manchmal einen Strich durch die zölibatäre Rechnung machen möchten, der jedoch nicht sein lässt, was nicht sein darf.

Frau Alving nimmt die außereheliche Tochter ihres Mannes, Regine (Judith Richter zeigt im Duett mit Ludwig eine herrlich heisere Brecht-Sprech-Stimme), als Stubenmädchen auf. Den eigenen Sohn aber gibt sie aus dem Haus, damit er das ausschweifende Treiben seines Vaters nicht mitbekommt. Zehn Jahre nach dessen Tod kehrt der kranke Sohn Osvald zurück, verliebt sich in seine, ohne es zu wissen, Halbschwester. Frau Alving klärt Osvald auf, dass er, wie sein Vater, an Syphilis leide. Das Drama ist komplett... Ferdinand Kopeinig als Osvald verfällt manchmal zu sehr in einen jämmerlichen Jammerton, stimmliche Stärke lässt er aufblitzen bei einem von mehreren von Wolfgang Fadi Dorninger keck arrangierten Songs auf Basis bekannter Kinderlieder und Melodien: schräg, laut und mächtig. Ein kurzweiliger und eineinhalb Stunden kurzer Theaterabend.

Silvia Nagl, OÖN, 19.03.2011

Bürgerliche Wunden

Henrik Ibsens „Gespenster“ im Linzer Phönix-Theater: Ioan C. Toma lässt das beinahe 130 Jahre junge Stück routiniert abspielen. Die Dialoge schnurren beständig, manchmal berührend, bisweilen humorig vor sich hin. Nur in den Bildern droht die Inszenierung ab und an, ins Lächerliche zu kippen.

Nein, Aufreger ist das Stück heute keiner mehr - aber es legt immer noch seinen Finger sehr zielsicher auf bürgerliche Wunden, auf die Scheinheiligkeit, und es zerrt die feinen Pinkel der (Schein-)Moral genüsslich ans Tageslicht.

Die „Gespenster“ waren einmal ein Gesellschaftsdrama und sind immer noch eine Familientragödie. Zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes will Helene Alving im Angedenken an den Verstorbenen ein Kinderwohnheim eröffnen. Doch das Denkmal wird buchstäblich vom Thron gestoßen, die Fassade bekommt Risse, das Heim brennt ab, die Gespenster der Vergangenheit holen die Familie ein - binnen neunzig Schauspielminuten ist nichts mehr so, wie es einmal schien...

Getragen wird die Inszenierung von einem intensiv agierenden Ensemble: Isabella Wolf spielt die Familiengeneralin, ein kühles, blondes Nordgewächs. Daniel Pascal steht ihr als Pastor gegenüber, ein bigotter Schleimer an der Menschlichkeit. Ein bisschen Lolita in Schuluniform gibt Judith Richter als Regine. Walter Ludwig verleiht dem Jakob Engstrand eine bauernschlaue Aura, mit der er alle anderen am Gängelband führt. Ferdinand Kopeinig leidet als Osvald für meinen Geschmack ein wenig zu laut. Die Lösung mit dem als lebendes Mahnmal anwesenden (verblichenen) Hauptmann ist für mich grenzwertig und hart an der Lächerlichkeit. Weder eine Augenweide noch besonders praktikabel: das Bühnenbild von Kurt Pint.

Milli Hornegger, Krone, 19.03.2011

Im Wald der Wiedergänger

loan C. Tomas Inszenierung von Henrik Ibsens „Gespenster“ am Linzer Theater Phönix überstrapaziert knallige Effekte.

Linz - Henrik Ibsens Familiendrama Gespenster berichtet vom düsteren Hintergrund einer auf gesellschaftlichen Hochglanz polierten Fassade von Bürgerlichkeit. Der Hauptmann Alving könnte seine sexuellen Ausschweifungen und Übergriffe auf Dienstmädchen mit ins Grab nehmen, wäre da nicht das Bedürfnis der Gattin (Isabella Wolf als Helene Alving), nach dessen Tod reinen Tisch zu machen.

Kurt Pint hat die Bühne des Theater Phönix mit überdimensionalen bis lächerlich kleinen Sesseln ausgestattet, auf denen die Protagonisten herumklettern oder flüchtig Platz nehmen. Im Hause Alving kommt man nicht mehr zur Ruhe, seit im Gedenken an den Hauptmann an einem Kinderheim gebaut wird und zugleich das Familiengebäude in sich zusammenkracht.

Regisseur loan C. Toma inszeniert mit grellen Effekten, die Ibsens Drama in Richtung Maschinentheater und Zauberposse manövrieren. Der tote Hauptmann (Andreas Wipplinger) geistert im Stroboskop-Albtraum der Gattin herum, ein Modell des Kinderheims klappt sinnbildlich hinter Feuerzungen in sich zusammen.

Die Akteure, Daniel Pascal als Pastor, Ferdinand Kopeinig als von Syphilis geplagter Sohn und Judith Richter als hinterlistige Dienstmaid Regine, sind zuvorderst mit der Ausstattungslandschaft beschäftigt. Walter Ludwig kommentiert mit Songs in Weill’scher Manier die Geschehnisse. Daneben gibt er Regines vermeintlichen Vater Jakob.

Toma räumt mit allen Andeutungen und Schwebezuständen auf. Das Stück geht im überstrapazierten dramaturgischen Allerlei verloren.

Wolfgang Schmutz, Der Standard, 19.03.2011

Gespenster sichtbar gemacht, einige Zwischentöne begraben

Premiere: Henrik Ibsens Familiendrama „Gespenster“ in der ansehnlichen Regie von Ioan C. Toma am Linzer Theater Phönix

Gespenster aus den Tiefen der Vergangenheit scheinen der entgeisterten Frau Alving im Haus umzugehen, als sie ihren Sohn Osvald im Speisezimmer mit ihrer Bedienerin Regine flirten hört - dort, wo sie einst ihren Mann, den Hauptmann Alving, mit dem Kammermädchen Johanne überrascht hat. Osvald, der Maler, ist aus Paris heimgekehrt, um der Einweihung eines Kinderheimes beizuwohnen, das zum Andenken an seinen Vater aus Familienmitteln zu dessen zehntem Todestag errichtet wird. Doch während man noch am Asyl baut, stürzt das eigene Lebenslügen-Kartenhaus derer von Alving in sich zusammen: Der Kammerherr wird posthum als untreuer Weiberheld entlarvt, Regine als seine uneheliche Tochter, die ihrem vermeintlichen Vater, dem Tischler Engstrand, als Attraktion in jenes zweifelhafte „Seemannsheim“ folgt, das unter dem Zeichen der roten Laterne auf den Kohlen des alsbald abgefackelten Kinderheims entsteht.

Nebenschauplätze aus-, Songs eingeblendet

Was da vor allem Isabella Wolf als Helene Alving und Daniel Pascal als Pastor Manders miteinander verhandeln, mutet trotz der 130 Jahre, die Ibsens einst skandalumwittertes Familiendrama auf dem Buckel hat, in der Regie des in Linz wohlgelittenen Ioan C. Toma zeitlos an. Kurt Pint hat die Bühne mit einem überdimensionalen Sessel wie aus der Möbelhaus-Werbung ausgestattet, von dem aus Osvald auf den Abgrund seiner Familientragödie blicken kann. Ebendiese hat Toma auf 90 Minuten filetiert, alle Nebenschauplätze aus-, dafür aber Songs eingeblendet: Ferdinand Kopeinig singt und brüllt sich als Osvald, im weißen Bon-vivant-Anzug und mit dandyhafter Attitüde, glaubhaft seinen Frust über die ihm als Erbteil vom Vater hinterlassene Erbkrankheit heraus. Fadi Dorninger und Luise Toma haben dafür bekanntes Liedgut á la „Ich war noch niemals in New York“ in Brecht/Weillscher Manier fetzig adaptiert. Isabella Wolf, Gast aus Wien, gibt eine ein bisschen farblose, durchaus heutige Dame der Gesellschaft. Daniel Pascal gefällt als sittenstrenger grauer Pastor, der statt in Helenes Armen im Schoß der Kirche gelandet ist und das als „größten Sieg“, nämlich den über sich selbst, feiert. Judith Richter bleibt als Dienstmaid Regine ein etwas blasses Objekt von Osvalds Begierde. Für ein wenig Komik sorgt Walter Ludwig als „Engstrand“, ein hinterfotziger Bordellier in spe. Der buchstäblich aufs Podest gehievte tote Hauptmann erwacht (in Gestalt von „Statue“ Andreas Wipplinger) im effektvollen Stroboskop-Gewitter zum Leben. Mit ihm hat Toma die „Gespenster“ sichtbar gemacht, unter allerhand Pyrotechnik und Wasser aber auch manche Zwischentöne begraben.

Andreas Hutter, Neues Volksblatt, 19.03.2011