Die Schauspielerin Judith Richter lädt zu einem Gastmahl, um mit dem Publikum der Frage von Fressen und gefressen werden nachzuschmecken.
Die Tafel wird zum Schlachtfeld, auf dem Friedrich Schillers „Jungfrau von Orleans“ den Tod verbreitet, zum unbarmherzig umkämpften Fleischmarkt, auf dem Bertolt Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ zu Vernunft und Menschlichkeit in einem System der Unmenschlichkeit aufruft. Und zum Gerichtsstand, in dem die historische Jeanne d´Arc berichtet, wie sie, ein Bauernmädchen, mit 17 Jahren auf Geheiß heiliger Stimmen auszog, Krieg zu führen gegen die Engländer. Übernimmt sie in diesem Prozess die Verantwortung für ihre Taten, lebt sie. Beharrt sie auf einem göttlichen Auftrag, muss sie brennen …
THEATER: „Gotteskrieg"
Gotteskrieg: Ein Schlachtfest mit Johanna von O. mit Judith Richter (Theater Phönix, Linz, 17. Jänner)
„Bitte nehmen Sie doch Platz. Wein oder Wasser?" Als charmante Gastgeberin bittet Judith Richter ihr Publikum zu Tisch, um anhand ihrer Textmontage aus Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe", Schillers „Jungfrau von Orleans" und den Prozessakten der historischen Jeanne d'Arc dem Fressen und Gefressenwerden nachzuspüren.
Unter der Regie von Ole Georg Graf werden, in mehreren Gängen, brennende Grundsatzfragen serviert: Jene nach der Manipulierbarkeit des Menschen, z.B. durch Glaubenslehren (jenseits der Frage nach Gottes Existenz). Nach der Gefahr, wenn innere Überzeugungen zu Fanatismus im Gewand subjektiver „Pflichterfüllung" werden. Von der „heiligen Johanna" zur Selbstmordattentäterin scheint es nur ein kleiner Schritt.
Nebenbei wird ein Schlachtmahl bereitet, wobei sich die Gastgeberin wie eine Furie mit dem Küchenbeil über ein Hühnchen hermacht, das sie für ihre Gäste bereitet: Wo Recht zu Unrecht wird, ist Widerstand Pflicht. Doch heiligt der Zweck das Mittel der Gewalt?
Als wohl umsorgtes Mitglied der barocken Tafelrunde (Bühnenbild: Gerald Koppensteiner, kulinarischer Berater: Andreas Wipplinger) bleibt es dem Publikum nicht erspart, sich unmittelbar angesprochen zu fühlen. Ein origineller wie denkwürdiger Abend.
Ein „Gotteskrieg" am Linzer Theater Phönix:
Mit Prologen aus Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ und Schillers „Die Jungfrau von Orleans" inszeniert man im Linzer Theater Phönix „Gotteskrieg". Unter der Regie von Ole Georg Graf verwirklicht Judith Richter diese Inszenierung. Sie entwickelte auch das Konzept. Das Stück ist eine Auseinandersetzung mit brisanten Themen wie Religionskriegen, Selbstmordattentaten oder Wirtschaftskrisen - und mit der Frage, ob es einen Gott gibt, und ob dieser Gewalt ge- oder verbietet.
Die Zuschauer sind die Gäste eines Dinners, die Gastgeberin - Jeanne d'Arc. In einem einstündigen Monolog fesselt Judith Richter das Publikum. Die rebellisch-enthusiastische Darstellung der Johanna ist eine schauspielerische Glanzleistung.
Kritik: Judith Richter überzeugt „metzgernd“
Premiere von „Gotteskrieg. Ein Schlachtfest mit Johanna von 0.“ im Studio des Theater Phönix.
Theaterkritik. Die Tafel ist schön gedeckt, die Gastgeberin zuvorkommend und umsichtig. Kein Glas bleibt leer, im Hintergrund dudelt in angenehmer Lautstärke Barockmusik. Das kann einen ganz schön einlullen. Doch nicht zum netten Get-together hat man sich hier versammelt, sondern um Glauben mit dem Schwert zu verteidigen. So ging es bei der gestrigen Premiere von „Gotteskrieg. Ein Schlachtfest mit Johanna von O.“ ganz schön harsch zu.
Judith Richter hat sich das Solo perfekt auf den eigenen Leib geschneidert. Sie erweist darin Schillers „Jungfrau von Orleans“ und Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ ihre Reverenz. Georg Ole Graf inszeniert die Tafelrunde als dynamische One-Woman-Show, bei der Richter zwischen gottesfürchtiger Wahnsinniger und vernunftbegabter Humanistin switcht. Dran glauben muss trotz bedrohlichem Messerschwingen nur ein Hendl, das nach der Vorstellung als Chicken-Wings wiedergeboren wird. Als drastischen Schlusspunkt jagt sich die Gotteskriegerin selbst in die Luft, so wie man das heute eben macht. Die Richter wird so zu ihrem eigenen Henker.
Inez Pölzl, Österreich, 17.01.2009