Peter Munk hat große Erwartungen ans Leben. Der Job in der Schokoladenfabrik ist sicher, aber auf Dauer zermürbend. Das Leben bei der Mutter bequem, aber auf lange Sicht auch glücklos. Sein Herz schlägt für Lisbeth, die Kunststudentin an der dm-Kasse, eine heimliche Liebe, die er sich nicht leisten kann. Und sein Puls steigt beim Anblick der großen Villen am Stadtrand und der bunten Werbeplakate in der Fabrik. Dort gehört er hin, zu den anderen, zu denen, die es geschafft haben, ihre Träume zu verwirklichen. Irgendwas muss passieren, denn das, was er sich erhofft, wird er so nicht erreichen – Peter Munk will weiter, und er weiß, dass etwas Besonderes in ihm steckt.
Munk kündigt kurz entschlossen den Job, kommt auf mysteriöse Weise zu Geld, und plötzlich steht ihm die Welt offen: große Firma, dickes Auto, Glück im Spiel und bei den Frauen. Munk gerät in schlechte Gesellschaft, die neuen Freunde haben nicht immer die besten Ratschläge und der Erfolg zerrinnt so schnell, wie er gekommen ist. Auch eine Reise um die Welt lässt ihn das Glück nicht finden, als bankrotter Mann kehrt er in die Heimatstadt zurück. Dort wartet schon der nächste Verführer auf ihn und das schnelle Geld an der Börse. Es ist ein einsamer und kalter Weg, den Peter Munk gewählt hat, auf dem ihm nicht nur Freunde und Familie abhandenkommen.
In Anlehnung an „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff hat Volker Schmidt die ganz unmärchenhafte Entwicklungsgeschichte eines Menschen vom armen Träumer zum herzlosen Unternehmer geschrieben und stellt dabei die Frage nach der Vereinbarkeit von Empathie und Ökonomie in einer konsumorientierten Welt.
Autor und Regisseur Volker Schmidt denkt im Linzer Theater Phönix die Spirale der Ökonomisierung bis zum Ende
„Das Leben ist die Summe seiner Fehler, deshalb fällt das Mitrechnen so schwer“, sagt der Chor zu Beginn. Wie ein Gewittergrollen donnert Volker Schmidts Text „Kaltes Herz“ daher. Wilhelm Hauffs Märchen „Das kalte Herz“ von 1827 hat dafür das Fundament gelegt. Die von Schmidt selbst inszenierte Uraufführung am Donnerstag im Linzer Theater Phönix mauert darauf ein Irrenhaus der ökonomisierten Welt.
Peter Munk hat seine Frau bestialisch mit dem Golf Schläger erschlagen. Das Ende ist der Anfang. Und wie kam es dazu? Dafür zieht das blendende Phönix-Ensemble samt beeindruckenden Gästen (Kathrin Beck, Saskia Klar, Alexander Ritter) zwei Stunden lang die Spieluhr der Empathielosigkeit auf.
Munk (Adrian Hildebrandt steigert sich in eine furchterregende Hartherzigkeit) tut sich mit sozialen Kontakten schwer. Er wohnt bei seiner Mutter (ein feine Glucke: Beck) und arbeitet in einer Schokoladenfabrik. Er will gar nicht zu jenen gehören, denen der schnöde Alltag genügt. Er sei einer der Auserwählten, die ihr Glück erzwingen können. Peter kündigt seinen Job, träumt von der zur schicken Trophäe taugenden Lisbeth (Sonderapplaus für Klar) an der dm-Kasse. Per Spam-Mail erfährt er von einem Geldgewinn, aber den setzt er als frischgebackener Unternehmer in den Sand. Keine Weltreise, kein soziales Kuscheln zähmt seinen Drang, jedem Wert einen Preis zu verpassen.
Was bei Hauff das Wünsche erfüllende Gfrast Holländermichel erledigt, dreht bei Schmidt Peters Finanzberater Klaus (Ritter ist bedrohlich gut) ins Schmerzhafte. Für den Erfolg mit Börse-Spekulationen lässt Peter sein Herz versteinern. Damit nichts mehr drückt, schon gar nicht das Gewissen - und die als Bettlerin gestrandete Mutter schubst man dann auch bedenkenlos auf die Straße.
Jeder weiß das alles, jeder kennt die Skrupellosigkeit der Gier - und doch folgt man der Dramatisierung dieser Dämonen bereitwillig.
In Traumsequenzen pendelt Schmidt zu Hauffs Märchen. Markus Hamele und Nadine Breitfuß spielen als Peters Freunde, Widersacher und Edelhuren samt rasender Kostümwechsel feine Varietäten aus.
Für einen Moment glitzert die Hoffnung, Peters Gemetzel an der gedemütigten Lisbeth ließe ihn doch noch etwas fühlen. Aber so erbarmungslos wie das Geschäft kann auch die Kirnst sein: Mit dem Schlussbild treibt Schmidt die Verführungen ins Barbarische. Langer Applaus und viele „Bravo“-Rufe.
Fazit: Das starke Stück Theater geht die Konsequenzen der Ökonomisierung bis zum Ende und entfaltet eine Wucht, die nachwirkt.
Uraufführung von „Kaltes Herz“ im Theater Phönix zeigte menschliche Abgründe
Zur bitterbösen „Märchenstunde“ geriet am Donnerstag eine Uraufführung im Theater Phönix in Linz: Volker Schmidt bearbeitete ein Kunstmärchen von Wilhelm Hauff und schuf die moderne Version „Kaltes Herz“. Kreative Bühne und wandlungsfähige Schauspieler machten den Abend zum Erfolg.
Peter Munk will sich nicht mit seinem Dasein als Fabrikarbeiter zufrieden geben, will viel Geld und schöne Frauen. Das mysteriöse Glasmännchen verschafft ihm all das, doch - Überraschung! - das macht ihn nur noch gieriger und kälter, zumal er im Laufe der Zeit auch noch sein Herz hergibt.
„Kaltes Herz“ von Volker Schmidt, der das entsprechende Märchen von Wilhelm Hauff dramatisiert hat, kam im Linzer Theater Phönix zur Uraufführung. Schmidt führte auch Regie und schuf die kreativ gestaltete Bühne, die in faszinierender Einfachheit doch alle Stückeln spielt und mit einer Art Glasgefängnis regelmäßig Akzente setzt.
Bei der Darstellung des Verfalls vom nachdenklichen Dorfburschen zum kalten Gewalttäter tut sich Adrian Hildebrandt auch aufgrund seines sympathischen Äußeren etwas schwer. Markus Hamele (Herr Knapp, Johann, Märten, Mann im karierten Hemd) beeindruckt mit seiner Wandlungsfähigkeit genauso wie Alexander Ritter (Paul, Klaus, Croupier). In zahlreiche Rollen schlüpft auch Nadine Breitfuß (Glasmännchen, Diaz, Nina), Kathrin Beck überzeugt als überfürsorgliche Mutter und Saskia Klar ist als Lisbeth ein Höhepunkt dieser „Märchenstunde“, bei der es einem kalt den Rücken hinunter läuft.
Wer kennt noch das alte Märchen vom Peter Munk? Es stammt von Wilhelm Hauff und heißt „Das kalte Herz“. Da verkauft ein gieriger Junge sein Herz für Reichtum, den er dann, herzlos, wie er ist, weder teilen noch genießen kann. Der Autor und Regisseur Volker Schmidt hat sich ausgemalt, wie diese Geschichte in modernen, neoliberalen Zeiten aussähe, und die Übertragung fiel ihm nicht schwer - vielleicht sogar zu leicht, sodass er seinem Epos „Kaltes Herz“ ein paar verwirrende, nahezu surreale Handlungselemente beimischt. Im Wesentlichen bleibt die Sache im Theater Phönix aber durchschaubar: Dass Peter Munk aus lauter Geiz seine Frau erschlägt, wird gar gleich zu Beginn berichtet. Adrian Hildebrandt legt daraufhin in der Hauptrolle einen beeindruckenden Parforceritt vom Unglück der Armut bis zum Unglück des Reichtums hin.
Sein böser Holländer-Michel heißt Klaus (Alexander Ritter), trägt einen Cowboyhut und rockt motivierende TED-Talks über das richtige Investment in ein Headset. Munks lehrreiche Weltreise aus dem Märchen wird zur Pauschalreise ins Krisengebiet, in dem der nach Erfüllung Suchende prompt von Beduinen entführt wird. Dass das simple Landmädel Lisbeth den reichen Munk trotz dessen mittlerweile fortgeschrittener Empathielosigkeit heiratet und lange zu ihm hält, ist ein Spagat, den Saskia Klar rührend meistert. Die Originalgeschichte parat zu haben kann jedenfalls nicht schaden. Deren Moral scheint auch für diese zweistündige Inszenierung zu gelten: Wer zu viel will, wird irgendwann scheitern.
Uraufführung: Volker Schmidts „Kaltes Herz“ im Linzer Theater Phönix
Peter Munk arbeitet in einer Schokoladenfabrik im Schwarzwald. Die Mama (Kathrin Beck) ist stolz, dass der Bub einen anständigen Job hat und sich nicht versäuft wie der Vater. Aber da draußen, weiß Peter, gibt es eine Welt mit Villen, Porsches und „Klassefrauen“. Nachts verkündet das Glasmännchen (Nadine Breitfuß) die Erfüllung seiner Wünsche. Tatsächlich zieht Peter im Internet das große Los, fast eine Million Euro gehören ihm. Ein transparenter Würfel ist zentraler Ort in „Kaltes Herz“ von Volker Schmidt, der auch Regie führt und die Bühne gestaltete. In diesem Würfel werden. Glücksversprechen wahr, mit denen die Werbung einsame Seelen wie Peter lockt. Dort treibt er\'s mit einer Edelnutte, posiert als perfekter Bräutigam mit seiner Braut Lisbeth (Saskia Klar), dort hortet er am Ende auch seinen kindischen Männertraum, eine Sammlung erlesener Whiskysorten. Seines Daseins überdrüssig, wird Peter seine Frau mit dem Golfschläger zu Tode prügeln.
Wackelige 115 Minuten ohne Pause, Uraufführung von „Kaltes Herz“ war am Donnerstag im Linzer Theater Phönix. Applaus und Premieren-Bravos für eine Inszenierung, die keinen Rhythmus findet. Dem Autor mangelt es an Empathie für seine Figuren, am klarsten noch herausgearbeitet der Mörder Peter. Als solcher lässt Adrian Hildebrandt - mit freizügig präsentiertem Bauchumfang - ahnen, dass hier ein unsicherer, junger Mensch sich ungeliebt fühlt und Liebe kaufen möchte.
Fürs Herz lässt er das Geld „arbeiten“
Die Dialoge holzschnittartig, Markus Hamele als falscher Freund bleibt ebenso wenig Raum zur Entfaltung wie Peters schwachem Gegenpol, der von einer gerechten Welt träumenden Lisbeth. Spaßig nur als teuflischer Propagandaaffe Alexander Ritter, der Peters Herz dafür bekommt, dass er ihm die Erfüllung des groteskesten kapitalistischen Traums verspricht: sein Geld „arbeiten“ zu lassen. Schmidt steuert als Regisseur in paar witzige Ideen bei, durchgeknallt die Produktpräsentation von „innovativem Glasdesign aus dem Schwarzwald“. Im Casino stellen knackige Damen (inklusive ein langbeiniger Hamele) einen lebendigen Glücksspielautomaten dar, gemeinsam seufzen sie ein laszives „Erdbeere, Erdbeere, Erdbeere“. Jetzt Sex!
Empathielosigkeit ist in dieser Ökonomie eine nötige Voraussetzung für pekuniären Erfolg, diese Einsicht hat Wilhelm Hauff schon vor knapp 200 Jahren (1827) im Märchen „Das kalte Herz“ formuliert. Die ins Heute verlegte Story von Schmidt fügt dem keine neuen Erkenntnisse hinzu.
Allzu billig auch, dieser Anklageschrift mit denkbar grausamstem realem Elend (Erpressung Angehöriger durch Folter) etwas wie „Pepp“ zu verleihen. Eine vertane Chance, solch ungelenke Kritik am Casino-Kapitalismus krümmt den Über-Leichen-Spazierern der Gegenwart kein Härchen.