Jule geht's gut, Lili geht's gut und Anna auch. Darius hat Angst, dass er seine Prüfungen nicht bestanden hat und Sven wäre gern verführerisch oder wenigstens normal. Alle finden es ganz toll, dass Anna schon seit Jahren mit Philip zusammen ist, Jule macht es wirklich nichts aus, dass Lili mit Darius geschlafen hat, und Darius kümmert das sowieso alles nicht, er revoltiert lieber gegen die Studienordnung und seine eigene Unzulänglichkeit. Fünf junge Leute verstricken sich zunehmend in einen Reigen, in dem Liebesaffären, Prüfungsstress und Orientierungslosigkeit eine unselige Verbindung eingehen.
Laura de Weck zeichnet auf sehr unterhaltsame und pointierte Weise das Portrait einer jungen Generation zwischen Erlebnishunger, Liebessehnsucht, ziellosem Tatendrang und tiefgreifender Verunsicherung, und nach und nach werden die fatalen Abgründe hinter einer scheinbar harmlosen Alltagskommunikation auf schmerzhafte Weise deutlich.
Nach der erfolgreichen Uraufführung 2007 im Theater Basel, wurde das Stück der jungen Autorin für den Mülheimer Dramatikerpreis 2008 nominiert.
Lüge und Wahrheit liegen auch im SMS dicht beieinander. Nur dringt man zwischen allen Floskeln so schwer zum jeweiligen durch. In Laura de Wecks Lieblingsmenschen reicht das Sensorium der fünf Protagonisten nicht aus, um die emotionalen Leerstellen ihrer Handy-Kommunikation mit Dauerhaftem zu füllen.
Die vermeintlich lebenslustige Jule (Lisa Fuchs), die Romantik suchende Lili (Judith Richter) und die das Mittelmaß fliehende Ann (Nicola Trub), Studentinnen allesamt, suchen einen Erlebnishorizont jenseits der Textnachricht. Doch ihr Annäherungsversuch an das Wagnis Identität steckt in Worthülsen fest. Die aggressiv angetragenen Befreiungsschläge ihrer männlichen Kommilitonen, die bei Darius (Stefan Fent) dämonisch ausfallen, bei Sven (Ferdinand Kopeinig) Richtung Ereignishunger kippen, fruchten nicht. Der einzig authentische, im Stück abwesende Phillip entzieht sich dem Reigen. Durch Selbstmord.
In der Regie von Alexander Kratzer bildet das leichtlebige Studentendasein ganz im Sinne de Wecks den Rahmen. Das Ensemble weiß sie mit Sprachsensibilität und differenziertem Spiel zu füllen. Stimmig gerät auch die Ausstattung Alexia Engls, die eine sowohl brüchige wie ungelenke Gefühlswelt auf ein Glashausdach mit Dancefloor-Anmutung stellt.
Sind Mittzwanziger wirklich so? Mag schon sein. Das Stück "Lieblingsmenschen" der Schweizer Autorin Laura de Weck - österreichische Erstaufführung war am Donnerstag im Linzer Theater Phönix - zeichnet das Porträt einer Generation zwischen Spaßgesellschaft und Zukunftsängsten.
Laura de Weck (geboren 1981) ist Schauspielerin und Autorin, ihr erstes, 2007 in Basel uraufgeführtes Stück "Lieblingsmenschen" hat sie schlagartig in die Liga vielversprechender Talente gehievt. Das Stück ist mit sprachlicher Leichtigkeit und spielerischem (Wort-)Witz geschrieben, mischt die Vergnügungssucht einer Spaßgesellschaft mit Versagensängsten und Zukunftszweifeln von Jugendlichen.
Fünf Menschen um die 20 studieren, lernen, treffen einander zum Plaudern und Tanzen, reden viel und haben manchmal nur wenig zu sagen, benützen eifrig ihre Handys zum regen SMS-Austausch, sammeln Sex-Erfahrungen, wechseln die Partner... Der ganz normale (Studenten-)Alltag. Und über einen, den Medizinstudenten Philip, wird zwar viel geredet, er taucht aber nie auf. Laura de Weck hat ein Stück über ihre Generation verfasst: Das ist witzig, traurig - und lebensnah.
Regisseur Alexander Kratzer verfügt in seiner dynamischen, einstündigen Inszenierung über das richtige Gespür für Tempo und Timing, hat sein Schauspielteam typgerecht eingesetzt und charaktergenau gezeichnet. Alle sind in zirka jenem Alter, das sie laut Stück darstellen: Das verstärkt noch mehr den Eindruck, dieses Theater könnte auch wirkliches Leben sein.
"Kunst, aber auch das Leben", sagt Anna im Anschluss an den Philosophen Karl Rosenkranz, "ist nur dann schön, wenn es wahr ist. Und wahr ist es aber nur, wenn man ihm die Gefahr der Vernichtung ansieht." In diesem Sinne ist das Stück auch tragisch, doch dabei geht es de Weck nicht um tiefenpsychologisches Schürfen, sondern um kurze Momentaufnahmen, die aber auch einen Blick in die jeweilige Psyche zulassen.
Lisa Fuchs scheint die Schauspielschülerin Jule nicht zu spielen - sie ist mit selbstverständlicher Natürlichkeit diese Jule, die durchaus auch auch Lisa heißen könnte. Judith Richter stattet die strebsame Psychologiestudentin mit glaubhaften Versagensängsten aus. Nicola Trub mimt die adrette und brave Philosophiestudentin Anna. Ferdinand Kopeinig gibt dem Möchtegern-Frauenverführer Sven lässige und auch lächerliche Züge. Stefan Fent als latent aggressiver Darius ist genervt vom Gequatsche der anderen.
Lebensnah und heutig
Alexia Engl baut eine so einfache wie raffinierte Raumlösung in den kleinen Balkon-Saal: Transparente Stegplatten, die mit dem derzeit allgegenwärtigen LED-Licht die Farben wechseln, werden mit wenigen Handgriffen auch zur Bibliothek mit Computertastaturen, die wiederum zu Rhythmusinstrumenten werden. Gut gelöst sind auch die Szenen mit dem SMS-Verkehr.
Ein originelles Stück über das Leben junger Menschen in deren heutiger Sprache. Begeisterter Applaus des Premierenpublikums.
Österreichische Erstaufführung: „Lieblingsmenschen“, Komödie der 27-jährigen Schweizerin Laura de Weck, im Linzer Theater Phönix
Eine ungemein präzise Inszenierung gelang dem Innsbrucker Regisseur Alexander Kratzer mit seinem Team (Ausstattung: Alexia Engl, Musik: Daniel Röhrens und Nina Stainer), folgte doch auch das fünfköpfige Ensemble mit großer Exaktheit seiner Personenführung. Die Handlung ist schnell skizziert:
Drei Studentinnen und zwei Studenten suchen zwischen Liebe, Sex und Studium ihren individuellen Weg ins Leben. Dazu gehört eigentlich noch ein dritter Student,
Annas Freund Philipp, mit dem sie schon seit sechs Jahren liiert ist, der aber nie in Erscheinung tritt, weil er zu Hause lernt. Die anderen hingegen arbeiten am Computer in der Universitätsbibliothek.
Das geht nicht ohne Emotionen ab: Lernfrust, Prüfungsängste, Aggressionen. Dazu muss man wissen, dass die jungen Leute nicht sanft miteinander umgehen. Ihre Sprache ist ziemlich direkt und oft rüde. „Die Figuren haben sich lieb, trotzdem können sie nicht liebevoll miteinander umgehen“, erklärt die 27-jährige Schweizer Autorin Laura de Weck
dazu.
Überhaupt die Sprache! Sobald abgedunkelt ist, erscheinen auf Leuchttafeln SMS-Botschaften in der Alltagssprache der Jugend und verleihen dem Stück Authentizität. Währenddessen stehen „die Studierenden“, Jule (Lisa Fuchs), Lili (Judith Richter), Anna (Nicola Trub), Sven (Ferdinand Kopeinig) und der zu beängstigenden Zornausbrüchen neigende Werkstudent Darius (Stefan Fent) auf einer Art gläsernen Abdeckungen, die sich aufklappen und jeweils eine versenkte Computertastatur sichtbar werden lassen. Ganz schön raffiniert!
Vom oberflächlichen Wortgeplänkel über Kuscheln mit und ohne Sex oder den „Wer schläft mit wem“-Spielchen sollte man sich nicht täuschen lassen. Es klingen auch ernstere Probleme an. Sogar eine Tragödie ereignet sich: Philipp wählt den Freitod, weil Anna ihn nach sechs Jahren des Zusammenlebens verlassen hat.
Das Publikum zeigte sich sehr beeindruckt und dankte mit begeistertem Applaus.
Laura de Wecks „Lieblingsmenschen“ als gelungene Premiere im Phönix-Theater:
Ein kleines, sprödes Kunstwerk präsentiert das Linzer Phönix-Theater derzeit am Balkon: Laura des Wecks Erstlingswerk „Lieblingsmenschen“ ist eine lakonische Bestandsaufnahme der Befindlichkeit einer Mitte-20-Generation, die um ein Miteinander rauft, sich in einem Kommunikationstief befindet.
Ja, das Stück ist alltagstauglich. Es sind die Stammeleien, wie man sie von den „Handyfonierern“ in der Straßenbahn mitbekommt: „Hey. Hallo. Ja. Hi. Jaja …“ Angesiedelt im studentischen Milieu, begegnen sich fünf junge Menschen, rastlos, voller Tatendrang und ohne Orientierung. Es ist die Generation, die eine mehrjährige Beziehung per SMS beendet. Ohne Handy am Ohr ist alles nichts und ohne SMS keine Kommunikation möglich. Laura de Weck beschreibt dieses Brachland des persönlichen Umgangs durchaus charmant und mit Witz. Sie macht aus den diversen hippen Kürzeln ein richtiges Dialogstück, webt aus den Elementen der Sprachlosigkeit einen eigenen Rhythmus für ihr Stück.
Lisa Fuchs, Judith Richter, Stefan Fent, Nicola Trub und Ferdinand Kopeinig sind als jugendliche Fünfer-Bande lässig und gestresst, voll Sehnsucht und angekotzt vom Leben, Dampfplauderer und Gesprächsverweigerter. Regisseur Alexander Kratzer zeichnet sie trotz ihrer Defizite als sympathische Zeitgenossen. Und es ist nicht nur ein Stück für Jugendliche!
Kritik: Laura de Wecks „Lieblingsmenschen“ im Linzer Theater Phönix
Studierende und Probleme von A wie Angst vor Prüfungen bis S wie Sex: Alexander Kratzer bringt das abgelutschte Thema passabel auf die Bühne.
Linz. Nicht von Lebensmenschen, dafür aber von Lieblingsmenschen erzählt Laura de Weck in ihrem Debüt. Sie befasst sich mit dem Alltag sechs junger Leute, wobei einer nie vorkommt. Versagensängste, Liebe, Sex und Selbstmord – hat alles seinen Platz in Lieblingsmenschen, wird aber nur gestreift. Am Donnerstag war im Theater Phönix die österreichische Erstaufführung zu sehen.
Knackig. Alexander Kratzer hat den abgelutschten Stoff sehr prägnant in einer Stunde auf die Bühne gebracht. Seine Inszenierung kommt ohne aufwendige Kulisse und Requisite aus. Alle Lokalitäten, sei es Disco, Wohnung oder Bibliothek inklusive PCs, entstehen in Alexia Engls Gewächshausoptik. Die fünf Darsteller hocken oder stehen auf der schrägen Fläche, wie Charakter in einem Computerspiel, um bei de Wecks platter Einbindung der „neuen“ Technologie zu bleiben.
Was das Stück neben der Regie aus der Belanglosigkeit hievt, sind die Schauspieler: Ferdinand Kopeinig bringt einen Hauch Verrücktheit. Lisa Fuchs ist die Schlampe, die auch Gefühle hat. Judith Richter will einfach nur verführt werden. Nicola Trub macht aus der grauen Maus eine Unberechenbare uns Stefan Fent gelingt ein fesselnder Aufbegehrer.