Noblesse oblige – auch wenn’s auf Pump ist: Die fetten Jahre sind vorbei, der Putz größtenteils ab, aber auf Sommerfrische wird gefahren und zwar in großem Stil. Zwei alteingesessene Familien treiben sich und ihren Anhang in Wahnsinn und Bankrott, nur um standesgemäß den Urlaub antreten zu können. Am Land angekommen erwartet die Gesellschaft von Schnorrern, Liebeshungrigen, Schuldenmachern und Mitgiftjägern eine von sonniger Hitze und hochgekochten Emotionen heimgesuchte Welt in Auflösung. Die innere Leere und das permanente Scheitern am Gegenüber werden durch sexuelle Betriebsamkeit, schrille Eifersüchteleien und testosteron-triefende Rivalitäten kompensiert. Nur kein Stillstand - Spiel, Sex, Geld, Intrigen und hochdosiertes Wohlstandskalkül halten den dekadenten Mikrokosmos am Laufen - bis das letzte Herz vergeben, der letzte Ehevertrag unterzeichnet und der letzte Schuldschein unterschrieben sind. Dann heißt es ab nach Hause und auslöffeln, was man sich in der Sommerfrische eingebrockt hat: Lebensfrust statt Lebenslust, Beziehung statt Liebe, Aufruhr statt Ruhe und neue Schulden statt Geldsegen.
Ein groteskes „Trauerspiel“ der Lebensgier, eine böse Komödie über Triebabfuhr und Liebesökonomie.
Wahrscheinlich wäre Carlo Goldoni über Georg Staudachers Inszenierung seines Dreiteilers “Sommerfrische“ gar nicht sehr erstaunt. Zumindest inhaltlich hat sich nichts gravierend geändert. Vielleicht sollte man annnehmen, es sei das Beste, das zu tun, was die anderen machen. Ein Stehsatz, der die Jahrhunderte überdauerte, ohne an Relevanz für jene zu verlieren, die sich Jahr für Jahr in ihre Autos zwängen um einem Ziel entgegenzustreben: dem Feriendomizil.
Kaum jemand würde das Objekt seiner Begierde heute noch Sommerfrische nennen. Das Verhalten aber ähnelt dem, wie es Goldoni 1761/62 für die Bühne schilderte, frappant. Die Sehnsucht nach, das Treiben in, die Rückkehr aus besagter Sommerfrische.
Giorgio Strehler hat bereits 1954 die drei Aufführungen zu einer gerafft. Regisseur Georg Staudacher hat den Stoff nun noch einmal überarbeitet, Rollen und Masse verringert. Am Donnerstag war im Linzer Theater Phönix Premiere des teilweise ins Heute transferierten Stücks “Sommer.Frische3“.
Der Plott blieb gleich. Die Gier nach Spiel, Liebe und süßem Nichtstun. Die Wahrung des Scheins. Das Streben nach Geld zur Fortsetzung des Status Quo. Ein bisserl Leben, aber auch immer wieder kokettieren mit dem Tod.
Staudacher hat sich nicht ganz für eine moderne Adaption entschieden und lässt so Charaktere und Dialoge gelegentlich zwitterhaft erscheinen. Während der Countdown zur Abreise digital angezeigt wird, wird die hochbürgerliche Anrede gepflegt. So kommt\'s, dass der hochwohlgeborene, aber erzürnte Herr plötzlich “Fuck!“ schreit. Hommage an den Zeitgeist?
Planschen im Pool
Zeitgemäß die Kreditkarte, die das schlitzohrige Töchterchen Giacinta dem Papi abluchst. Zeitneutral wiederum der Heiratsvertrag, den dieser Papi für seine Filia vom Liebeswerber Leonardo abverlangt und damit Zweitanwärter Guglielmo aus dem Rennen wirft.
Während die ursprünglichen drei Teile räumlich angedeutet werden (Auditorium, Bühne, Hinterbühne), bleibt die Hauptbühne der Star des Abends. Mit einem gefüllten Pool in der Mitte, Neonleuchten, die ein Sommergewitter simulieren, Regen der vom Himmel fällt. Auch die Referenz an die Commedia dell\' Arte findet hier per Sommertheater statt.
Gratmesser
Staudacher darf sich über die Ensembleleistung freuen. Hervorgehoben sei Margot Binder, die als Giacinta auch eine dankbare Rolle zugeteilt bekam. Aufgegangen in ihren Parts sind Matthias Hack, Stefan Laczkovics, Eckart Schönbeck, Ingrid Höller, Helmut Fröhlich und Angie Mautz.
Wolfgang Peidelstein hat für den Sound gottseidank kein “O sole mio“, sondern moderne Musik eingespielt, die Coolness aber auch Sehnsucht vermittelte. Die Ausstattung besorgte Gerhard Fresacher, die Lichtgestaltung Stefan Pfeistlinger.
Wenn der Premierenapplaus Gradmesser ist, dürfte den Aufführungen Erfolg beschieden sein.Ein bisschen Leben
Wahrscheinlich wäre Carlo Goldoni über Georg Staudachers Inszenierung seines Dreiteilers “Sommerfrische“ gar nicht sehr erstaunt. Zumindest inhaltlich hat sich nichts gravierend geändert. Vielleicht sollte man annnehmen, es sei das Beste, das zu tun, was die anderen machen. Ein Stehsatz, der die Jahrhunderte überdauerte, ohne an Relevanz für jene zu verlieren, die sich Jahr für Jahr in ihre Autos zwängen um einem Ziel entgegenzustreben: dem Feriendomizil.
Kaum jemand würde das Objekt seiner Begierde heute noch Sommerfrische nennen. Das Verhalten aber ähnelt dem, wie es Goldoni 1761/62 für die Bühne schilderte, frappant. Die Sehnsucht nach, das Treiben in, die Rückkehr aus besagter Sommerfrische.
Giorgio Strehler hat bereits 1954 die drei Aufführungen zu einer gerafft. Regisseur Georg Staudacher hat den Stoff nun noch einmal überarbeitet, Rollen und Masse verringert. Am Donnerstag war im Linzer Theater Phönix Premiere des teilweise ins Heute transferierten Stücks “Sommer.Frische3“.
Der Plott blieb gleich. Die Gier nach Spiel, Liebe und süßem Nichtstun. Die Wahrung des Scheins. Das Streben nach Geld zur Fortsetzung des Status Quo. Ein bisserl Leben, aber auch immer wieder kokettieren mit dem Tod.
Staudacher hat sich nicht ganz für eine moderne Adaption entschieden und lässt so Charaktere und Dialoge gelegentlich zwitterhaft erscheinen. Während der Countdown zur Abreise digital angezeigt wird, wird die hochbürgerliche Anrede gepflegt. So kommt\'s, dass der hochwohlgeborene, aber erzürnte Herr plötzlich “Fuck!“ schreit. Hommage an den Zeitgeist?
Planschen im Pool
Zeitgemäß die Kreditkarte, die das schlitzohrige Töchterchen Giacinta dem Papi abluchst. Zeitneutral wiederum der Heiratsvertrag, den dieser Papi für seine Filia vom Liebeswerber Leonardo abverlangt und damit Zweitanwärter Guglielmo aus dem Rennen wirft.
Während die ursprünglichen drei Teile räumlich angedeutet werden (Auditorium, Bühne, Hinterbühne), bleibt die Hauptbühne der Star des Abends. Mit einem gefüllten Pool in der Mitte, Neonleuchten, die ein Sommergewitter simulieren, Regen der vom Himmel fällt. Auch die Referenz an die Commedia dell\' Arte findet hier per Sommertheater statt.
Gratmesser
Staudacher darf sich über die Ensembleleistung freuen. Hervorgehoben sei Margot Binder, die als Giacinta auch eine dankbare Rolle zugeteilt bekam. Aufgegangen in ihren Parts sind Matthias Hack, Stefan Laczkovics, Eckart Schönbeck, Ingrid Höller, Helmut Fröhlich und Angie Mautz.
Wolfgang Peidelstein hat für den Sound gottseidank kein “O sole mio“, sondern moderne Musik eingespielt, die Coolness aber auch Sehnsucht vermittelte. Die Ausstattung besorgte Gerhard Fresacher, die Lichtgestaltung Stefan Pfeistlinger.
Wenn der Premierenapplaus Gradmesser ist, dürfte den Aufführungen Erfolg beschieden sein.
Sommer.Frische³“ am Theater Phönix: Regisseur Georg Staudacher versetzte Goldoni-Trilogie ganz ins Heute
Heutzutage ist die Fernreise zu immer noch exotischeren Zielen eines der Statussymbole des smarten Erfolgsmenschen. Bei Carlo Goldoni verhieß noch der sommerliche Aufenthalt auf dem Land das Gefühl des “Dazugehörens“, die Motive dafür aber blieben dieselben - egal, ob man sich die Flucht aus dem Alltag überhaupt leisten kann und welche innere Leere damit übertüncht werden soll. Insofern war es für Regisseur Georg Staudacher höchst reizvoll, Goldonis 250 Jahre alte “Sommerfrische“-Trilogie als ein auf eindreiviertel Stunden verkürztes Konzentrat herauszubringen, das auch heutige Zuseher trifft. Wobei seine Inszenierung die Hektik vor der Abreise und der Klärung des “Wer mit wem?“ allzu sehr auf die Spitze treibt, während er später schöne poetische und treffend demaskierende Bilder findet.
Sieben Personen sind es in seiner aktualisierten Fassung, die dem schönen Schein und dem immer nächsten “ultimativen Kick“ nachjagen, als würde ihr Seelenheil davon abhängen. Dabei sind nicht nur die Konten geplündert, auch die Nerven liegen blank. Und die amourösen Verwicklungen und “Vergnügungen“ bei der heißen “Pool-Party“, für die Gerhard Fresacher eine Bühne mit Pritschelspaß installiert hat, sorgen nicht für die ersehnte Befriedigung.
Ohne Rücksicht auf Verluste
Die aufgesetzte Lustigkeit kann die Verzweiflung und Einsamkeit nicht einmal mehr kaschieren. Und so bleibt nach dem Tanz auf dem Vulkan nur totale Ernüchterung, wenn nicht sogar der Ruin.
Das Phönix-Team, ergänzt von Angie Mautz, ist mit vollem - auch körperlichem - Einsatz dabei, die Rasanz des Regiekonzepts und die Brüchigkeit dieser Existenzen auf die Bühne zu bringen. Margot Binders facettenreiche Giacinta steht im Zentrum. Sie bringt nicht den Mut auf, sich zu ihrer wirklichen Liebe Guglielmo zu bekennen (Eckart Schönbeck beeindruckt in seiner Verzweiflung) und entscheidet sich für den vorbestimmten Ehemann (Matthias Hack). Stefan Laczkovics als Schnorrer Ferdinando ist auch der Narr, der die Wahrheit verkündet. Er versteht es, mit vielerlei Talenten und einer artistischen Einlage zu glänzen. Auf ihn hat die lebenshungrige Witwe Sabina (lasziv-begehrlich wie oft: Ingrid Höller) ihr Auge geworfen. Sie findet ebenso wenig ihr Glück wie Vittoria (Angie Mautz), die nur Staffage bleiben muss, während Helmut Fröhlich als Filippo den ruhenden Pol in dem turbulenten Treiben unerfüllter Lebensgier darstellt.
Die in ihrer Aussage treffende Produktion setzt teilweise auf allzu viele Effekte, wobei Wolfgang Peidelsteins Soundtrack zu den positiven zählt. Dem Premierenpublikum am Donnerstagabend hat sie jedoch offenbar hörbar gefallen.
Schriller “Sommerfrische“-Dreiteiler im Linzer Phönix-Theater
“Sommer.Frische3“ oder “Dekadenz auf Speed“: Der Untertitel trifft die jüngste Inszenierung im Linzer Phönix recht genau. Georg Staudacher hat sich Goldoni vorgeknöpft und dessen Sommerfrische-Trilogie zu einer einzigen, hysterischen Abend-Schlacht zusammebngefasst. Ein lebensgieriges Trauerspiel mit Witz und Längen.
Staudacher hat die Form der Trilogie beibehalten: Im ersten Teil, der im Publikumsraum spielt, geht es um die hektischen Vorbereitungen für den Sommerfrische-Wahnsinn kurz vor dem Bankrott. Im Mittelteil wird der dekadent-hitzige Mikrokosmos kurz vor der (letalen) Explosion geschildert: in brachialen, schnellen, aufgeheizten Szenen. Danach zerbricht die Welt, ist der Putz endgültig ab. Das (langatmige) Finale einer bösen Komödie.
Der Versuch hat seine Reize: Carlo Goldonis Lustspiele entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts. Aber Urlaub auf Pump und Ballermann sind auch heute nicht weit. Insofern ist Goldoni ziemlich aktuell, und Staudacher vermittelt das auf sehr heutige, schrille Weise. Dennoch kann er die Finger nicht von ein bisschen “Comedia“ lassen: Das beschert dem Publikum einen denkwürdig akrobatischen Auftritt von Stefan Laczkovics und einen ermüdenden Fechtk(r)ampf mit finalem Ketschup-Geschmiere. Wozu?
Begeisternd ist dieses Ensemble: Matthias Hack lässt als Leonardo den Macho heraushängen, Angie Mautz präsentiert sich anfangs als Hochleistungs-Hysterikerin, ehe sie zunehmend verblasst. Margot Binder ist eine fiebrig-nervös tänzelnde Giacinta. Famos die Ausstattung von Gerhard Fresacher, perfekt der Sound von Wolfgang Peidelstein.
“Sommer.Frische3“ im Theater Phönix
Kaum zu glauben, wie gut sich die Sprache Carlo Goldonis als Untermalung für Oralsex eignet. Georg Staudachers Bearbeitung der “Trilogie der Sommerfrische“ gewinnt ihre Dynamik aus den Verfremdungseffekten, die er durch den gezielten Einsatz verschiedener Sprachebenen kreiert. Nur das F-Wort hätte man vielleicht etwas sprarsamer einsetzen können, zumal sich der beabsichtigte Drall auch subtiler, etwa durch die Frage “Würstel oder Kotelett?“, erzielen lässt.
Schonungslos führen Regisseur Staudacher und seine Schauspieler (starken Eindruck hinterließen Margot Binder als Giacinta und Stefan Laczkovics als Ferdinando) eine “Dekadenz auf Speed“ vor, der diese abgehalfterten Society-Löwen frönen, deren Inneres meist ebenso leer ist wie ihr Portemonnaie. Wolfgang Peidelstein schneiderte eine passgenaue Tonspur dazu: keine undefinierbare Geräuschkulisse, sondern konzise Songs.
Wieder einmal ausnehmend schrill gibt sich das Theater Phönix in seiner jüngsten Produktion "Trilogie der Sommerfrische" nach Carlo Goldoni. Darin wird das flotte Leben der besseren Gesellschaft saftig aufs Korn genommen. Regisseur Georg Staudacher setzt in seiner Bearbeitung folgerichtig mehr auf - mitunter gnadenlos billige - Effekte als auf die Kraft der Wörter, die die Schauspieler nicht selten ins Publikum brüllen. Die Folge: Das Stück behält zwar seine Spannung locker bis zum Schluss, aber eben um den Preis, knietief im oberflächlichen Trash zu versinken. Witzig ist's trotzdem.