Ben Lyons liegt im Sterben, den Krebs wird er nicht mehr besiegen. Nun ist seine Familie noch einmal zusammengekommen, um dem Patriarchen Adieu zu sagen. Aber von Abschiedsschmerz kann keine Rede sein, dem baldigen Ableben des Familienoberhaupts sieht man eher mit Gleichgültigkeit, Bitterkeit und Wut entgegen. Nach einer langen lieblosen Ehe freut sich Rita Lyons nun darauf, die alten Möbel aus dem Haus zu werfen und es neu zu dekorieren. Sohn Curtis’ Verhältnis zum Vater ist sowieso schon lange zerrüttet, er ist schwul und erfolglos und damit eine einzige Zumutung für Ben. Dass Tochter Lisas Ehe am Alkohol und an häuslicher Gewalt gescheitert ist, würde man da lieber nicht auch noch erwähnen. Aber so einfach geht Ben Lyons nicht ab. Einmal noch werden die alten Kämpfe ausgefochten, offene Rechnungen aufgemacht und Lebenslügen entlarvt –, erst dann ist Ben Lyons Leben zu Ende. Doch für die anderen geht die ewige Suche nach Liebe jetzt erst richtig los.
Mit der schwarzen Komödie „The Lyons“ schaffte Nicky Silver, einer der wichtigsten amerikanischen Dramatiker seit den 90er Jahren, 2012 erstmals den Sprung an den Broadway.
Vergnügliche Komödie „The Lyons" im Linzer Theater Phönix
Mit spitzem, schmallippigem Mündchen und mit einem Blick, als ob sie keinem noch so kleinen Spinnengetier etwas zuleide tun könnte, versprüht sie mit sanfter Stimme ihr Verbalgjft: Ingrid Höller, von Kostümbildnerin Andrea Bernd auch noch in das Outfit des personifizierten Hausmütterchens gewandet, ist in der Rolle der Rita Lyons eine Wucht!
Hilflos ans Krankenbett gefesselt, weil die Nadel in der Vene, muss der arme Ben Lyons auch noch die Psycho-Nadelstiche von Rita ertragen, seiner treu dafür sorgenden Gattin, dass sein Dahinscheiden mit Sicherheit nicht leichter für ihn wird. Ben leidet an Krebs im Endstadium - und Rita freut sich darauf, endlich das längst abgewohnte Wohnzimmer, an dem Ben doch so hängt, neu einrichten zu können ...
Clemens Aap Lindenberg grantelt grandios als Ben im Krankenbett, zischt und schleudert Rita Bösartigkeiten und Fäkalbrocken entgegen, möchte ihr am liebsten den Hals umdrehen - und wirkt dabei manchmal so, als ob der Blutdruck tatsächlich gefährlich in die Höhe schnellt. Zum Glück, gibt's die fürsorgliche Krankenschwester (Betty Schwarz), die auf ihn schaut. Das Linzer Theater Phönix hat sich die deutschsprachige Erstaufführung von „The Lyons" des US-Amerikaners Nicky Silver sichern können. Das ist schön für das Theater –und macht dem Publikum große Freude!
Herrliche Slapstick-Szenen
Regisseur Hakon Hirzenberger und sein Team haben mit offensichtlichem Vergnügen an dieser schwarzhumorigen und gallenbitteren Komödie gearbeitet. Hirzenberger formt mit Genauigkeit und sehr gutem Gespür für die jeweils richtigen Tonfälle in diesem pointiert verfassten Dialog-Gemetzel überzeugende Charaktere, wobei ihn die Kostümbildnerin kongenial unterstützt. .Der Humor schlägt flotte Purzelbäume - und die Slapstickszene mit dem hin- und herrutschenden Ben im Krankenbett ist herrlich komisch!
Das Stück von Nicky Silver, hierzulande vor allem bekannt geworden durch „Fette Männer im Rock", besteht eigentlich aus drei Einaktern. Teil 1 am Krankenbett ist schlichtweg großartig. Teil 2 wirkt wie ein Außenseiter-Einsprengsel, wobei David Fuchs als schwuler lmmobilientyp eine feine Studie eines vom Chef und seiner Neigung Getriebener ist. Teil 3 wiederum kehrt zurück ins Krankenzimmer und zu Teil 1: Ben ist tot, Rita - mit blonder Perücke und schwarzem Nerz verjüngt - genießt ihr Leben samt Liebhaber.
Auf diesem Schlachtfeld Familie kämpfen auch noch Judith Richter als alkoholkranke Tochter und Felix Rank als homosexueller Sohn mit, werfen einander gegenseitig die Vergangenheit an die Köpfe und stochern treffsicher, wie es eben nur Familienmitglieder können, in nie verheilten Wunden - zum Brüllen komisch!
Sir Henry steuert melancholische Klänge bei, die sich dem Inhalt entsprechend, in das schicksalhaft-fröhliche „Que sera" wandeln.
Der nächste Erfolg dieser Saison im Theater Phönix ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit programmiert!
„The Lyons“ von Nicky Silver am Linzer Theater Phönix
Linz - Ben Lyons liegt im Sterben. Clemens Aap Lindenberg (als Ben) siecht als jenes Familienoberhaupt im Spitalsbett dahin, Besuch empfängt er nicht - er erträgt ihn höchstens. Und auch das nicht mit Größe, sondern mit einer Abscheu, die er lautstark kundtut. Alle, nicht nur Ben, sind samt Krankenschwester (Betty Schwarz) in diesem Limbus namens Familie gefangen: Sie können nicht ohne und schon gar nicht miteinander. Sie möchten geliebt werden, können jedoch selbst nicht lieben. Nur dem toten Vater ist es schließlich vergönnt, wenigstens seinen eigenen verstorbenen Vater wiederzusehen.
Die anderen - die alkoholkranke Tochter Lisa, der beziehungsunfähige Sohn Curtiz und die böseste aller Mütter und Ehefrauen, also Rita, - sie sind mehr oder weniger dazu verdammt, einander und sich selbst zu ertragen. Auch als Rita sich nach dem Tod ihres Mannes mit einem Jüngeren davonmacht und damit nebenbei die Tochter einmal mehr verletzt („Vater hatte recht, sie ist ein Miststück“), ist dies allerdings auch kein echtes Entkommen aus einem Leben, dessen Fülle - wenn überhaupt - aus Mangel besteht.
Ein Glücksfall-Ensemble
Nicky Silvers Dialoge in dem Stück The Lyons sind böse, wenngleich von verzweifeltem Ringen nach Zuwendung geprägt: Der 54-jährige New Yorker Autor beweist in seiner Schonungslosigkeit denn auch einen Hang zu fast liebevoller Ironie; und Regisseur Hakon Hirzenberger inszeniert mit einem Glücksfall-Ensemble dementsprechend: Allen voran überzeugt eine entfesselt böse Ingrid Höller als Mutter, die einen ob ihrer Gleichgültigkeit und Gefühlskälte erschaudern lässt. Daneben beeindruckt Judith Richter als masochistische und unter mangelndem elterlichen Interesse leidende Tochter („Ich war in der vierten Klasse zum ersten Mal besoffen! Keinen hat\'s interessiert!“).
Der Sohn? Felix Rank flüchtet sich als Curtiz in Obsessionen, beobachtet erfundene Liebhaber (David Fuchs) und „rettet“ sich aus der ausweglosen Rolle des zur elterlichen Enttäuschung gewordenen homosexuellen Sohnes, indem er zur noch größeren Enttäuschung für sich selbst wird.
Nicky Silver stellt seine Figuren als körpergewordenen Abgrund auf die Bühne, als Figuren, die am Ende in absurd-liebevoller Einigkeit von Neuem auf die Verdammnis namens „Familie“ blicken.
Erstaufführung: Komödie „The Lyons" von Nicky Silver im Linzer Theater Phönix
„Mir ist schon klar, dass du nicht mehr dazukommen wirst, es zu genießen." Rita Lyons nimmt's locker, dass ihr Mann im Spital im Sterben liegt, schwärmt ihm trotzdem von der neuen Wohnzimmereinrichtung vor. Dem Familienpatriarchen Ben Lyons wiederum gibt sein naher Tod die Lizenz zum Reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und Tabula rasa zu machen mit seinem auf Besuch weilenden „Miststück" von Frau und den „missratenen" Kindern. Ein gnadenloser Seelenstriptease beginnt: Tochter Lisa säuft und hat zwei ledige Kinder, der schriftstellernde Sohn Curtis ist eine erfolglose „Hinterlader-Tunte", Rita hat ein Verhältnis mit dem halb so alten Freund ihrer Tochter. Die Ausgangssituation in der schwarzen Komödie „The Lyons" des US-Dramatikers Nicky Silver (*1960) erscheint wie eine moderne großstädtische Version von Tennessee William's Drama „Die Katze auf dem heißen Blechdach": Auch hier liegt das Familienoberhaupt mit Krebs im Sterben, auch hier arbeiten sich seine Kinder an Alkohol und Homosexualität ab. Doch die Nicky-Silver-Version davon geht ganz anders: Er kann in dem makabren Szenario noch Alkoholismus und häuslicher Gewalt komische Momente abgewinnen. Tragische übrigens auch - nach dem ersten Akt kippt der aberwitzige Parforceritt in einen mäßiger spannenden zweiten, um im dritten wieder zu tragikomischer Hochform aufzulaufen. Für die deutschsprachige Erstaufführung am Donnerstag im Linzer Phönix beließen Hakon Hirzenberger in seiner gekonnt zwischen jenen beiden Polen changierenden Inszenierung und sein Bühnenbildner Thomas Kurz das Setting im New Yorker Milieu. Ihre Akteure fühlen sich darin pudelwohl: Besonders Ingrid Höller, deren herrliche Porträtierung der Rita Lyons als feine Dame, die über den Tod des Gatten nonchalant hinweggeht, an köstlicher Lakonie und Süffisanz nur schwer zu übertreffen sein wird. Clemens Aap Lindenberg gibt den Ben Lyons trefflich als knorrige Eiche mit deftigem Spruch, als alten Patriarchen im Stile eines Jock Ewing („Dallas"). Judith Richter (Lisa), Felix Rank (Curtis), David Fuchs (Makler) und Betty Schwarz (Krankenschwester) zeichnen weiters mit am Porträt der entwurzelten kleinen Gesellschaft. Zwei Krankenhausbesuche, eine Wohnungsbesichtigung und einen Todesfall: Mehr braucht es nicht für 140 großteils kurzweilige Theaterminuten.
„The Lyons" von Nicky Silver am Linzer Theater Phönix:
Es ist auf gar keinen Fall alles eitel Wonne in diesem Familien(?)-Stück. Es gibt Brüche, die sich kaum erschließen. Ein scheußliches Bühnenbild. Es gibt bessere und nicht ganz so gute Schauspieler - aber es ist keine Minute langweilig! „The Lyons" erlebte im Linzer Theater Phönix die deutschsprachige Erstaufführung.
Ben Lyons liegt vom Krebs niedergerungen, aber (noch) nicht mundtot gemacht im Krankenbett. An seiner Seite eine gar nicht mehr liebende Gattin, die in Gedanken längst das Wohnzimmer neu einrichtet. Der schwule Sohn und die trinkfreudige Tochter schauen auf einen Abschiedsbesuch vorbei. Autor Silver verliert nicht viel Zeit damit, die Abgründe, die in dieser Familie lauern, zu vertuschen. Hier tun sich im Sauseschritt ganze Schluchten voll mit Konflikten auf.
Regisseur Hakon Hirzenberger setzt auf Tempo, worunter die Entwicklung, mancher Figur ein bisschen leidet. Dafür präsentiert sich Phönix-Urgestein Ingrid Höller als grandiose (werdende) Witwe. So viel gedankenloses Oberflächen-Tralala braucht großes Können, erst recht, wenn sich dahinter reale Lebensängste erahnen lassen. Clemens Aap Lindenberg gibt den scheidenden Patriarchen: ans Bett gefesselt, aber nicht leise. Oldies but Goldies! Ansonsten wird ein bisschen viel piefkinesisch „gekuckt“ und zum Schluss gab's herzhaften Applaus.