Wir sind keine Barbaren!

„Wir sind glücklich
wir werden zweiundachzig Jahre alt
wir gehen jeden Morgen joggen
und danach zur Arbeit
wir schlagen auch mal über die Stränge
Nur nicht zu arg
und nur Samstags"

Sujet: Stefan Eibelwimmer
Premiere:
05.02.2015
Dauer:
-
Spielstätte:
Saal

Besetzung




Musik
Armin Lehner

Lichtgestaltung
Nico de Rooij


Didi Bruckmayr
© Susi Maschek
Didi Bruckmayr
Rebecca Döltl
© Tom Mesic
Rebecca Döltl
David Fuchs
© Eisterhuber, Leisch
David Fuchs
Judith Richter
© Tom Mesic
Judith Richter
Felix Rank
© Apollonia Theresa Bitzan
Felix Rank

„Wir sind glücklich
wir werden zweiundachzig Jahre alt
wir gehen jeden Morgen joggen
und danach zur Arbeit
wir schlagen auch mal über die Stränge
Nur nicht zu arg
und nur Samstags"

Inhalt

Wenn das Fremde in Person eines mysteriösen Flüchtlings vor der Tür steht, gerät die Welt des durchschnittlichen Wohlstandsbürgers aus den Fugen – mit tödlichen Folgen. Es beginnt idyllisch: Ein Chor besingt eine Gemeinschaft, in der das WIR großgeschrieben wird. WIR sind alle gleich, werden 73 Jahre alt und haben mindestens drei Hobbys. WIR sind in diesem Fall Barbara und Mario und deren neue Nachbarn Linda und Paul. Auch wenn das erste Kennenlernen mehr als holprig verläuft, finden die beiden Pärchen doch ausreichend gemeinsame Interessen – Flachbildschirme für die Männer, Yoga für die Frauen –, um eine höfliche Freundschaft zu pflegen. Doch als eines Nachts ein Fremder auftaucht, dem Barbara kurzerhand Asyl in ihrer Wohnung gewährt, ist es mit den Höflichkeiten vorbei. Der Fremde hat jedenfalls Schreckliches durchgemacht, was doch zu uneingeschränkter Hilfsbereitschaft verpflichten sollte. Oder stellt er eine Bedrohung dar? Oder vielmehr eine exotische Verlockung? Noch bevor darüber endgültig entschieden werden kann, verschwinden Barbara und der Mann. Und nur der Chor hat sein Urteil bereits gefällt.
Philipp Löhle (geboren 1978 in Ravensburg) zählt zu den meistgespielten deutschen Theaterautoren. Sein Stück „Lilly Link“ wurde 2008 mit dem Jurypreis des Heidelberger Stückemarkts ausgezeichnet, 2012 gewann er mit „Das Ding“ den Mühlheimer Publikumspreis.

Einblicke


Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Stefan Eibelwimmer
© Stefan Eibelwimmer
Stefan Eibelwimmer
© Stefan Eibelwimmer
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
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Christian Herzenberger
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Pressestimmen

Wer fürchtet sich vor dem Fremden? Niemand! Wenn er aber kommt?

Amüsante Gesellschaftssatire „Wir sind keine Barbaren!“ von Philipp Löhle im Linzer Theater Phönix

Die jeweilige Nationalhymne solle gesungen werden, wünscht sich Autor Philipp Löhle zu Beginn seines 2014 uraufgeführten Stückes „Wir sind keine Barbaren!“. Also erklingen im Theater Phönix drei Strophen unserer Bundeshymne, die Leute stehen auf und singen teilweise mit - inklusive der großen Töchter, versteht sich.

Sänger Didi Bruckmayr, Mastermind der Linzer Berserker-Musikformation „Fuckhead“, ist diesmal seriös in Anzug gekleidet, gegen Ende dürfen wir schon einen Blick auf seinen fesch tätowierten Körper werfen. Der Autor möchte „einen möglichst großen Chor“, Bruckmayr ist allein, aber ziemlich großartig! Diabolisch bis augenzwinkernd, bierernst bis clownesk singt er die mit Basswummern unterlegten Chorpassagen, die Löhle mit einem großgeschriebenen WIR versehen und ins Geschehen eingebaut hat: „Alle wollen haben, was WIR haben / WIR können nicht noch mehr abgeben / WIR lieben Kontrolle / WIR sind hier / Alles, was recht ist, gehört uns.“

Flottes Konversationsstück

Bei Barbara (Rebecca Döltl) und Mario (David Fuchs) hat sich schon ein wenig Fadesse eingeschlichen, doch die beiden sind bemüht um Höflichkeit und Zuneigung. Sie Köchin, in unseren Tagen naturgemäß vegan. Er etwas beziehungsmüde gewordener Technik-Freak. Nebenan sind Linda (Judith Richter) und Paul (Felix Rank) eingezogen, die beiden haben ein hörbar reges Liebesleben. Die Paare lernen einander kennen, nachbarschaftliche Distanz bleibt gewahrt. Plötzlich klopft es an der Tür: Ein Fremder sucht Unterschlupf. Barbara nimmt ihn auf. Löhle schrieb ein flottes Konversationsstück, aus dem anfänglich seichten Plauderton entwickeln sich, mit Eintreffen des Fremden, auch dramatische Töne und spannende Krimi-Handlung. Ein Plot ähnlich wie bei Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“, nicht ganz so elegant, aber ebenso schwarzhumorig und bösartig. Der Fremde - das Publikum bekommt ihn nie zu Gesicht - wird zur Metapher für Klischees über Andere und Anderes, für Flüchtlinge generell, den Klimawandel, für schlechtes Gewissen ... Wir alle, die wir fair einkaufen und bio essen, sind gemeint - das aber ganz ohne Zeigefinger. Regisseur Johannes Maile setzt auf hohes Tempo. Das ist gut so bei den knapp gehaltenen Dialogen, diesem verbalen Hin und Her, das die vier Bühnenakteure perfekt umzusetzen wissen, ohne zu sehr überdreht zu wirken. Georg Lindorfer hat - auch kongeniale Metapher - eine Mauer über den ganzen Saal gezogen. Eineinhalb kurzweilige Stunden mit aktueller Thematik.

Silvia Nagl, OÖN, 07.02.2015

Die Angst vorm schwarzen Mann

Premiere: „Wir sind keine Barbaren!" von Philipp Löhle im Linzer Theater Phönix

„,Gut gemeint' ist die kleine Schwester von .Scheiße!‘". Gut gemeint hat es jedenfalls die Vegan-Köchin Barbara, als sie eines Nachts einem afrikanischen Flüchtling spontan Asyl gewährt. Scheiße finden das nicht nur ihr Mann Mario, der Motorengeräusche für Elektroautos designt, sondern auch die neuen Nachbarn, die Fitnesstrainerin Linda und Ihr aufgedrehter Gespons Paul. Für den politisch korrekten Gutmenschen Barbara ist Bobo oder Klint, wie ihn Mario nennt, eine „Metapher" für das Leid der Welt, und die ablehnende Haltung der Drei ein Symbol für die „Kleptokratie des Westens": „Wir stehlen unser Glück auf Kosten anderer zusammen." Für die beiden Männer stellt der für das Publikum unsichtbar bleibende Asylant eine potenzielle Bedrohung dar. Für Barbara, die sich ohnedies am intensiven Sex-Leben der Nachbarn leid sieht, dagegen eine exotische erotische Verlockung ...

Leichtfüßige Farce kippt in todernstes Spiel

Eine Versuchsanordnung ähnlich der in Yasmina Rezas Gesellschaftssatire „Der Gott des Gemetzels" kippt in Philipp Löhles leichtfüßigem Pendant in ein todernstes Spiel um unterdrückte Vorurteile, Ängste und Ressentiments. Als die Situation in dem etwas aufgesetzt wirkenden Krimiplot am Ende eskaliert, bleibt nichts übrig von Mitgefühl oder Toleranz. Auch das Lachen bleibt einem in der gut geölten, mit viel Witz und Ironie in Gang gehaltenen Inszenierung von Johannes Maile zunehmend im Hals stecken. Mailes größter Glücksgriff ist der „Heimatchor", den er - wohl auch notgedrungen - auf einen „Ein-Mann-Chor" reduziert hat: Der Linzer Sänger Didi Bruckmayr liefert als selbiger im steifen Anzug und mit manieriert-roboterhaftem Gehabe eine eindrucksvolle, energiegeladene Performance, die die 100 Minuten veredelt. Die von ihm zu verfremdenden Technoklängen von Armin Lehner intonierten Texte verstärken noch die ablehnende Haltung gegenüber allem Unbekannten - zusätzlich zum fast logischen Bühnenbild von Georg Lindorfer: Eine von Stacheldraht bekränzte Mauer steht für die „Festung Europa". Rebecca Döltl, David Fuchs, Felix Rank und Judith Richter mimen (in adäquaten Kostümen von Elke Gattinger) jeweils eine gut getroffene Spielart jener Müll trennenden Mittelschicht, die sich verbal genau solange liberal gibt, bis die Welt aus dem Fernsehen plötzlich wirklich vor der Tür steht.

Andreas Hutter, Neues Volksblatt, 07.02.2015

Hamsterrad des Kapitalismus

Löhles „Wir sind keine Barbaren!“ im Theater Phönix Linz:

Spätestens nach Charlie Hebdo ist es legitim geworden, über Europa, Migration, Ausbeutung, Ängste und Toleranz anders zu diskutieren als bisher. Einen Anstoß dazu gibt das Stück „Wir sind keine Barbaren!“. Im Linzer Theater Phönix stellt Regisseur Johannes Maile eine gelungene Inszenierung vor eine „Berliner Mauer“.

Sie sind gelangweilt, sexuell unterfordert und stecken im Hamsterrad eines Turbokapitalismus fest: Zwei junge Paare spiegeln in Philipp Löhles Erfolgsstück „Wir sind keine Barbaren!“ das mitteleuropäische Lebensgefühl wider. Regisseur Johannes Maile führt die personifizierten Ich-AGs sanft zueinander und vermeidet jede Karikatur. Die beiden Paare sind Nachbarn. Ihre Wohnungen sind durch eine „Berliner Mauer“ getrennt, die Bühnenbildner Georg Lindorfer mit Steckdose und Sat-Anschluss versehen hat: Die „Festung Europa“ will ja wenigstens überall fernsehen. Als ein Fremder in die fragwürdige Idylle einbricht, teilt sich die Gemeinschaft, Information und Gerücht wechseln sich ab.

Rebecca Döltl als Barbara wird zum Gutmenschen, dessen Motive bald brüchig erscheinen. Judith Richter als umtriebige Fitnesstrainerin Linda und Felix Rank als eigenbrötlerischer Paul bemühen sich um Eurozentrismus und Neo-Kolonialismus. David Fuchs wird als 

stiller Mario zur eifersüchtigen Zeitbombe.

Der vielfach ausgezeichnete deutsche Autor Philipp Löhle (36) sammelte aus allen Lagern Phrasen und montierte sie zu einer Geschichte, von der man das Gefühl hat, sie schon in- und auswendig zu kennen, Mord und Täter inklusive. Vorurteile im Guten wie im Bösen, Schwarzweiß-Denken und selbstbezogene Toleranz werden hin- und hergeschoben. Das Volk bekommt in brachialer Stimme und Geste von „Fuckheader“ Didi Bruckmayr seine unverzichtbaren Auftritte.

Das Stück verstärkt am Ende, was man ohnedies schon ahnt: Die politische und die wirtschaftliche Diskriminierung der Dritten Welt werden unter den Deckmantel eines Kulturkampfes gekehrt, den der Normalbürger glaubt, ausfechten zu müssen. Nur: Er kann es gar nicht sondern wird nur zum Spielball extremer Ideologien.

Elisabeth Vera Rathenböck, Krone, 07.02.2015